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war's denn der erste warme Sonnenstrahl, der in das verschüchterte Gemüt
des jungen Luther fiel.
6. In Eisenach war auch die Schule besser, und es saß nicht alles auf
einem Haufen beieinander, alt und jung, sondern es gab drei ordentliche
Klassen. In andern Schulen saßen nämlich alte Käuze von schier dreißig
Jahren mit zwölfjährigen Kindern zusammen.
Am Fuße der Wartburg lag ein Haus, das den Franziskanern ge—
hörte. Es war ihnen von der Familie der Cottaschen Ehefrau vornehmlich
geschenkt. Dort verkehrte Luther viel mit den Mönchen, die er als ehr—
würdige Männer schildert. Ob ihm nicht dort schon der Gedanke leise
gekommen, daß es ein gut und heilig Leben sei im Kloster, seitab von der
Welt, — wer weiß es? — Luther hatte fleißig studiert; was von Anlage
und Geist in ihm war, blühte jetzt fröhlich auf. Scharfsinnig und schnellen
Geistes, gewandt und der Sprache gleich mächtig im Schreiben und Reden,
so zog der siebzehnjährige Luther aus Eisenach auf die hohe Schule nach
Erfurt.
195. Luther im häuslichen Kreise.
1. Wie liebenswürdig war Luther als Vater in der Familie! Als
seine Kinderlein vor dem Tische standen und mit allem Pleiß auf
das Obst und die Pfirsiché sahen, sagte er: „Wer da sehen vill
das Bild eines, der sich in Hoffnung freut, der hat bier das rechte
Konterfei. Ach, dabß wir den Jüngsten Tag so freudig ansehen
könnten! Adam und Eva werden viel besseres Obst gehabt haben,
unsers sind eitel Holzäpfel dagegen.“ So sah er seinem dreijährigen
Söhnlein zu, das spielte und mit sich selbst plauderte. „Das Kind
ist wie ein Drunkener; es weib nicht, daß es lebet, und lebet doch
gicher und fröhlich dahin, springet und hüpfet. Solche Kinder sind
gern in groben, weiten Gemächern, vo sie Raum haben.“ Und er
zog das Kind an sich: „Du bist unsers Herrgotts Mirrchen, unter
seiner Gnade und Vergebung der Sünden, nicht unter dem Gesetz.
Du fürchtest dich nicht, bist sicher und bekümmerst dich um nichts;
wie du es machst, so ist's unverderbt. Die Eltern haben die jüngsten
RKinder allezeit am liebsten; mein Kleiner Martin ist mein liebster
Schatz. Solche Kindelein bedürfen der Eltern Sorge und Liebe am
meisten; darum steigt die Liebe der Eltern allezeit vielfältig nieder-
wärts. Wie mub Abraham zu Sinne gewesen sein, da er seinen
jüngsten und liebsten Sohn opfern vollte! Er vird der Sara nichts
davon gesagt haben. Der Gang wird ihm sauer angekommen sein.“