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die Wohnung zwischen Spatz und Star, und gar oft ist viel Schlauheit
und Mut nötig, um die frechen Spatzen zu vertreiben.
H. Scharrelmann.
316. Frühling.
Nun endlich wacht die Sonne droben auf
und ruft dem Frühling zu: „Du! Schieb einmal
die grauen Wolken mir vom Himmel fort!“
Der Frühling tut's, und seht! da lacht sie wieder
5auf ihrem blauen Thron, die prächt'ge Sonne!
Und wie ihr Strahl so wunderwarm zur Erde
herniederfällt, gleich schmelzen Schnee und Eis,
und Keim auf Keimchen kriecht aus schwarzem Acker,
und Knosp' um Knospe glänzt an jedem Zweig;
die Erde fei'rt ihr Auferstehungsfest. —
Doch noch ein schön'res Auferstehungsfest
begeht der Mensch. Rings aus den Kirchen schallt
der Festgesang: „Der Heiland ist erstanden!“
Und alles feiert froh den Ostertag.
1s Und selbst den Kindern muß ihr Teilchen Freude
bescheret werden. Draußen in den Asten,
in Busch und Dorn, im Hund- und Hühnerstall:
Was liegt denn da versteckt so rot und blau
und gelb und violett und bunt gemasert?
20 Die Ostereier sind's, und der sie legte,
das ist der Osterhas', und wer's nicht glaubt,
der frag' ihn selber; sagt er „ja“ dazu,
so wird es wohl so sein; doch sagt er nichts,
so denket, was ihr wollt, und sucht nur zu,
2s so lang' ihr findet! Wohl bekomm' es euch! Robert Reinick.
317. Die Vögel am Kreuze Christi.
1. Als der Heiland am Kreuze hing, sah ein Rotkehlchen seine
Qual. Mitleidig flog es hinzu und versuchte die Dornen aus der
Marterkrone zu entfernen. Aber es war umsonst, und mit blutiger
Kehle und Brust flatterte es hinweg. Diese Blutmarke hat es als ein
Ehrenzeichen für immer behalten.
2. Es kamen auch zwei Kreuzschnäbel und wollten die Nägel aus
den Wunden des Herrn ziehen, einer den linken, der andere den
rechten. Sie brachten die Nägel aber nicht heraus und krümmten sich
daran die Schnäbel. Deswegen gibt es zweierlei Kreuzschnäbel. Bei
den einen stehen die Schnäbel links, bei den anderen rechts über—
einander. Oskar Dähnhardt nach Frischbier.