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Himmel herab. Der kühle Hausflur des Amtsgebäudes zu Soldin war
um diese Zeit ein prächtiger Zufluchtsort, und der Königliche Domänen—
und Kammerrat von Happelius hatte sich mit seiner Familie hier nieder—
gelassen, um an der eichenen Tafel das Mittagsmahl recht behaglich ein—
zunehmen. Die Tafel des Rates war trefflich besetzt. Ein Hammel—
braten mit Rüben folgte einer kräftigen Fleischbrühe; dann sollten Hechte,
in Dill gekocht, erscheinen, und den Schluß sollte ein Semmelpudding
machen. Das alles spülte man mit einem guten Bier hinunter.
2. Die Familie Happelius hatte unter heitern Tischgesprächen die
Suppe verzehrt, und der einladende Geruch des nahenden Hammelbratens
drang bereits durch die halbgeöffnete Flurtür. Außer der Familie des
Rates befand sich am Tische noch Herr David Glockner, der Amtssekretär
zu Soldin. Er war vor kaum einer Viertelstunde aus Cüstrin ange—
kommen, wo er Geldangelegenheiten für die Domänenkammer zu ordnen
gehabt hatte. „Ihr seid heute früh um sechs Uhr von Cüstrin abge—
fahren?“ fragte der Rat. „Euer Edeln zu dienen“, antwortete der
Sekretär. „Da seid Ihr sehr schnell gefahren.“ — „Euer Edeln,“ er—
widerte der Sekretär, „ich bin allerdings sehr schnell gefahren, denn mich
trieb etwas schleunig fort.“ — „Und was denn?“ fragte neugierig der
Rat. — „Ei nun, Seine Majestät der König waren bereits seit vier Uhr
morgens in der Festung und seit halb fünf Uhr auf dem Exerzierplatz am
Tore.“ — Der Rat lächelte fast mitleidig: „Mein lieber Glockner, Er
ist doch gar zu ängstlich. Warum gibt Er denn Fersengeld vor Seiner
Majestät?“ — „Ach, Edeln, ich bin mir nichts Böses bewußt; aber
Seine Majestät haben eine gar strenge Art, unsereinen zu examinieren. Wo
Seine Majestät unser ansichtig werden, auf der Gasse, vor der Kirche,
im Hausflur des Ratsgebäudes, ja spgar auf der offenen Landstraße,
da geht das Fragen an. Man muß auf die kleinsten Dinge antworten
können, über alles Bescheid wissen und genaue Auskunft geben können
über Taxen, Sporteln und Gebühren. Wehe, wenn man dann stockt
oder nicht Bescheid weiß! Dann domern Seine Majestät mit größter
Heftigkeit los.“
Der Rat nickte stumm vor sich. „da, ja, begann er dann, er
ist ein außerordentlicher Mann, dieser König. Er kennt alles in seinen
Staaten, weiß jede Ausgabe und Einnahme; jede Kleinigkeit in Geld—
sachen geht durch seine Hände. Aber“, fuhr er fort, „was tat denn der
König in Cüstrin?“ — „Was er immer tut: besichtigen, prüfen, zurecht—
weisen und jedes Buch der Beamten, jeden Geldsack, jede Rechnung genau
durchsehen. Euer Edeln wissen, daß der König oft auf Reisen ist, plötz—
lich, ohne daß jemand es ahnt, auf dem Platz erscheint, und dann geht