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Die Rätin hatte dem König eben ein Stück saftigen Bratens vor—
gelegt, in das er tapfer einhieb. „Befehlen Eure Majestät Wein?“ fragte
der Rat. „Nein, Bier!“ sagte der König, „das ist sehr gut; was be⸗
kommen wir denn noch?“ — „Hechte mit Dill und Klößchen und einen
Semmelpudding.“ — „Alle Tausend!“ rief der König, „Ihr schlagt eine
gute Klinge. Na, wenn die Kassen so gut im Stande sind wie Euer
Magen, was ich hoffe und denke — — „Majestät,“ entgegnete der Rat
ernst, „ich bin preußischer Beamter. Weiter bedarf es keiner Ant—
wort auf diese Bemerkung Eurer Majestät.“ — ‚Na, na, es ist ja gut
gemeint,“ lachte der König; „ich sehe nur gern überall selbst ein wenig nach
dem Rechten; das kann Er mir nicht übelnehmen, ein König muß ein
Hausvater sein. Heute früh in Cüstrin Besichtigung des Militärs, heute
mittag auf dem Amtshause zu Soldin Kassenrevision, nachmittags werd'
ich eine Schulinspektion vornehmen. Welches ist die neuste Schule hier?
Richtig, ich weiß schon, die in Glasow.“ — ‚„Verzeihung, Majestät,“
nahm jetzt Glockner das Wort, „die Schule zu Giesenbrügge ist fast ein
Jahr später gestiftet..“ — Der König beachtete erst jetzt die Anwesenheit
Glockners. „So, also Giesenbrügge ist noch neuer — mir recht, daß
Er das besser weiß als ich. Wie heißt der Lehrer?“ — „Es ist der
Küster Wendroth.“ — „So — und der Mann leistet etwas?“ — „Ich
glaube, seine Schüler machen Fortschritte.“ — „Werde mich davon über—
zeugen — heute noch; aber daß mir keine Meldung nach Giesenbrügge
geschickt wird! Ich will den Wendroth überraschen und sehen, ob er auf
dem Platze ist.“
Der König speiste nun mit sichtlichem Wohlbehagen weiter. Die Fische
schmeckten ihm prächtig, ebenso der Pudding; er nahm endlich auch ein
Glas Wein. Als die Mahlzeit beendet war, erhob er sich, mit ihm die
andern. In seiner einfachen Uniform sah er gar würdig aus, als er mit
fester Stimme das Tischgebet sprach.
Alle neigten sich. „Besten Dank für die Bewirtung!“ sagte dann
freundlich der König, während die Rätin und die Töchter tief knicksten.
„Es hat mir sehr gut geschmeckt. Nun an die Arbeit! Führt mich ins
Kassen- und Arbeitszimmer!“
4. Happelius hatte schon die Beamten rufen lassen; in wenigen Mi—
nuten lagen die Bücher, die Rechnungen und Kassenbestände bereit. Mit
einer bewunderungswürdigen Schnelligkeit wußte sich der König in der
zu jener Zeit sehr schwerfälligen Buchführung zurechtzufinden. Er kannte
alle Preise, alle Gehälter der Beamten, wußte genau, aus welchen Kassen
die Gelder flossen. Die wichtigsten Posten rechnete er durch, indem er
mit dem Zeigefinger die Zahlenreihen entlang fuhr. Hierauf ließ er sich