509
06—
215. Der Kaiser am Rhein. von Ute Muellenbach.
Heut war der Kaiser bei uns am Rhein;
Wir sahen ihn reiten im Sonnenschein,
Meine kleinen drei Buben und ich.
Uns grüßtte sein Auge mit leuchtendem Strahbl,
Wir schwenkten mit Tüchern und Blumen zumal,
Meine kleinen drei Buben und ich.
Uns wurden vor Freuden die Herzen weit
Bei des Kaisers leuchtender Herrlichkeit. —
5
Nun schwand der Tag. — Im Dämmerschein
Tret' ich leis noch einmal bei den Kindern ein.
Sie schlummern, die Bäckchen rosig und warm.
Der eine' hält das Gewehr im Arm;
Auf dem Kissen, das frisch bezogen ist,
Steht mit Blaustift: „Reitender Polizist.“
Der zweite hat den Säbel zur Hand —
Kannst ruhig sein, lieb Vaterland! —
„Ich werde Generalfeldmarschall!“
Rief der jüngste laut in dem Jubel all;
Nun liegt er so selig müde da —
20 Doch im Traum noch flüstern die Lippen: „Hurra!“
Im schweigenden Garten saß ich noch lang,
Mir war um Deutschlands Zukunft nicht bang.
Viel tausend Söhne, den meinen gleich,
Träumen noch stolz von Kaiser und Reich
Wie meine drei Buben und ich.
25