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25 einen Vogel, der da fliegt,
und ein dickes Schwein, das liegt,
eine Gemse mit der Gabel,
einen Schwan mit Hals und Schnabel.
Gar nichts gibt es, denk nur an,
zo was er dir nicht machen kann!
Lenchen, ja, ich glaube sehr:
nur der liebe Gott kann mehr!
einrich Seidel.
21. Rittmeister Kurzhagen.
1. In dem Regiment des berühmten Generals von Zieten stand
ein Rittmeister mit Namen Kurzhagen. Er war klug und tapfer und
hatte ein kindliches Gemüt. Seine Eltern waren arme Landleute im
Mecklenburgischen. Mit dem Verdienstorden auf der Brust rückte er nach
Beendigung des Siebenjährigen Krieges in Parchim ein. Seine Eltern
waren von ihrem Dörfchen nach der Stadt gekommen, um ihren Sohn nach
Jahren wiederzusehen, und erwarteten ihn auf dem Markte. Als er sie
erkannte, sprang er rasch vom Pferd und umarmte sie unter Freudentränen.
Bald darauf mußten sie zu ihm ziehen, und sie aßen allezeit an seinem
Tische, auch wenn er vornehme Gäste hatte.
2. Einst spottete ein Offizier darüber, daß Bauern bei einem Rittmeister
zu Tische säßen. „Wie sollte ich nicht die ersten Wohltäter meines Lebens
dankbar achten?“ war seine Antwort; „ehe ich des Königs Rittmeister
wurde, war ich ihr Kind.“ — Der brave General von Zieten hörte von
diesem Vorfall und bat sich selbst nach einiger Zeit mit mehreren Vor—
nehmen bei dem Rittmeister zu Gaste. Dessen Eltern wünschten diesmal
selbst, nicht am Tische zu erscheinen, weil sie sich verlegen fühlen würden.
Als man sich setzen wollte, fragte der General: „Aber, Kurzhagen, wo
sind Ihre Eltern? Ich denke, sie essen mit Ihnen an einem Tische?“ —
Der Rittmeister lächelte und wußte nicht sogleich zu antworten. Da stand
Zieten auf und holte die Eltern selbst herbei; sie mußten sich rechts und
links an seine Seite setzen, und er unterhielt sich mit ihnen aufs freund—
lichste. Dann nahm er sein Glas, stand auf und sprach: „Meine Herren,
es gilt dem Wohlergehen dieser braven Eltern eines verdienstvollen Sohnes,
der es beweist, daß ein dankbarer Sohn mehr wert ist als ein hochmütiger
Rittmeister!“