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Nähe der Stubbenkammer, rings von herrlichen Buchen- und Eichenwaldungen eingeschlossen,
liegt der heilige See der Wenden. Von da erhebt sich die Stubbenkammer mit ihrem
Kreidefelsen zu einer Höhe von 115 M., fällt dann plötzlich, fast senkrecht abgeschnitten,
zum Meere herab und gewährt den Besuchern eine großartige Aussicht in die schauerliche
Tiefe und die unermeßliche See.
Das Innere der Insel ist meist eben und waldlos und durch weite Heiden, in denen
man bis zu den Knöcheln im Sande watet, von den Halbinseln getrennt. Die ganze
Ebene ist mit großen Granitblöcken überstreut, aus denen die Rügener ihre Straßen gepflastert
und Grundlagen für Häuser und Kirchen gewonnen haben. Wegen der Abgeschiedenheit
ihrer Wohnplätze haben die Bewohner der Halbinseln die Sprache, Tracht und Sitte
ihrer Vorfahren treu bewahrt. Neben Ackerbau und Viehzucht ist die Fischerei allen Küsten—
bewohnern eine Haupterwerbsquelle. Der Häringsfang ist für sie von ähnlicher Bedeutung
wie die Weinlese für den Winzer am Rhein oder an der Mosel. Kommt der Häring im
Frühjahr in zahllosen Schaaren angeschwommen, so sind die Leute auf Rügen für das
ganze Jahr lustig und vergnügt.
270. Aus dem siebenjährigen Kriege.
Friedrich II., später der Große genannt, bestieg im Jahre 1740 den
preußischen Thron. Von der österreichischen Kaiserin Maria Theresia ver—
langte er die Herausgabe einiger schlesischen Fürstenthümer, auf welche Preußen
alte Ansprüche besaß. Da seine Forderung aber abgewiesen ward, griff er kühn
zu den Waffen. Denn von den Zeiten seines strengen Vaters her, des Königs
Friedrich Wilhelm 1, besaß er ein vortrefflich geschultes Heer und einen
wohlgefüllten Staatsschatz, und seine Seele war von dem Gedanken erfüllt,
sein Preußen den Hauptmächten Europas zur Seite zu stellen. In zwei ruhm⸗
vollen und kurzen Kriegen zwang er Maria Theresia, das ganze schöne Schlesien
an Preußen abzutreten. Ganz Europa bewunderte den jungen König und
sein tapferes Heer.
Aber Maria Theresia konnte den Verlust und die Schande nicht ver⸗
schmerzen. Sie suchte daher nach einer Gelegenheit, das Verlorene wieder zu
gewinnen. Und da Preußens rasches Wachsthum auch bei anderen Staaten
Neid und Besorgniß erregt hatte, so verband sie sich in der Stille mit Ruß⸗
land, Frankreich, Sachsen und Schweden, um Friedrich zu demüthigen und
wieder zum Range eines Kurfürsten von Brandenburg herabzudrücken. Sobald
der König aber von der geheimen Verbindung Nachricht erhalten hatte, kam
ex mit der größten Kühnheit und Entschlossenheit seinen Feinden zuvor. Ehe
sie mit vereinigten Kräften ihn angriffen, drang er in Sachsen ein, schlug die
heranrückenden Oesterreicher bei Lowositz und nahm das sächsische Heer
gefangen. Das war der Anfang des großen Krieges, der von 1756 bis 1763
dauerte und deshalb der siebenjährige genannt wird.
Nun aber erhoben sich alle seine Feinde, und auch das vielköpfige Deutsche
Reich sandte ein Heer, um ihn vernichten zu helfen. Bald stand eine Macht
von mehr als einer halben Million Kriegern gegen ihn im Felde, und er
konnte mit der äußersten Anstrengung ihnen kaum 200,000 Mann ent—
gegenstellen. Aber in einem unvergleichlichen Heldenkampfe behauptete dennoch
Friedrich sein schönes Schlesien; der Ruhm der preußischen Thatkraft durch—