Full text: Norddeutsches Lesebuch

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2. Leuthen. Sowie sich Friedrich von dem einen Feinde befreit sah 
eilte er nach Schlesien, wo der Herzog Karl von Lothringen inzwischen mit 
seiner überlegenen Macht große Fortschritte gemacht hatte; die wichtige Festung 
Schweidnitz war in die Hände der Oesterreicher gefallen, der Herzog von 
Bevern geschlagen worden, und selbst die Hauptstadt Breslau hatte sich dem 
Feinde ergeben. Schlesien schien verloren, wenn die Oesterreicher den Winter 
uͤber dort bleiben konnten. Da eilte Friedrich mit 14,000 Mann aus Sach⸗— 
sen herbei, vereinigte diese mit den 16,000 Mann, welche von dem geschlage⸗ 
nen Heere des Herzogs von Bevern übrig waren, fest entschlossen, die Feinde 
anzugreifen, wo er sie nur fände, „und wäre es,“ wie er sagte, „hoch auf 
dem Zobtenberge.“ Bei Leuthen, zwischen Breslau und Neumarkt, stieß er 
auf den Feind. Der Herzog Karl, an der Spitze von 80 bis 90,000 Mann, 
sah mit Geringschätzung auf die kaum 30,000 Mann zählende preußische 
Armee, die er spöttisch „die Berliner Wachtparade“ nannte. Friedrich aber 
berief seine Generale und Offiziere zusammen, schilderte in begeisterter Rede 
die Größe der Gefahr, in welcher das Vaterland schwebte und bei welcher er 
nur von ihrem Muthe, ihrer Standhaftigkeit und Vaterlandsliebe die Rettung 
erwarten könne. „Ich werde gegen alle Regeln der Kunst,“ fügte er dann 
hinzu, „die beinahe dreimal saͤrkere Armee des Prinzen Karl angreifen. Es 
ist hier nicht die Frage von der Anzahl der Feinde, noch von der Wichtigkeit 
ihrer Stellung: alles dies, hoffe ich, wird die Herzhaftigkeit meiner Truppen 
und die richtige Befolgung meiner Anordnungen zu überwinden suchen. Ich 
muß diesen Schritt wagen, oder es ist alles verloren; wir müssen den 
Feind schlagen oder uns alle vor seinen Batterien begraben 
Tassen. So denke ich, — so werde ich handeln. Machen Sie diesen meinen 
Entschluß in der Armee bekannt, bereiten Sie den gemeinen Mann zu den 
Auftritten vor, die bald folgen werden. Im Uebrigen, wenn Sie bedenken, 
daß Sie Preußen sind, so werden Sie sich gewiß dieses Vorzuges nicht 
unwürdig machen; ist aber der eine oder der andere unter Ihnen, der sich 
fürchtet, alle Gefahren mit mir zu theilen, der kann noch heute seinen Abschied 
erhalten, ohne von mir den geringsten Vorwurf zu leiden!“ Aus aller Augen 
leuchtete ihm auf diese Anrede nur tiefe Rührung und feuriger Kriegsmuth 
entgegen, und so fuhr ex fort: „Schon im Voraus hielt ich mich überzeugt, 
daß keiner von Ihnen mich verlassen würde, — ich rechne also ganz auf Ihre 
treue Hülfe und auf den gewissen Sieg. Sollte ich bleiben und Sie für Ihre 
geleisteten Dienste nicht belohnen können, so muß es das Vaterland thun. 
Gehen Sie nun ins Lager und wiederholen Sie den Regimentern, was Sie 
jetzt von mir gehört haben.“ Einen Augenblick hielt er inne, dann fügte er 
mit ernstem Ausdruck hinzu: „Das Regiment Kavallerie, welches nicht 
gleich, wenn es befohlen wird, sich unaufhaltsam in den Feind stürzt, 
lasse ich gleich nach der Schlacht absihen und mache es zu einem Garnison⸗ 
regimente! Das Bataillon Infanterie, das, es treffe, worauf es wolle, nur 
zu stocken anfängt, verliert die Fahnen und die Säbel, und ich lasse ihm die 
Borten von der Montirung abschneiden! Nun leben Sie wohl, meine Herren, 
in Kurzem haben wir den Feind geschlagen, oder wir sehen 
uns nie wieder.“ 
Die Begeisterung, welche Friedrich durch diese Rede den Offizieren ein— 
geflößt, ging bald auf die gesammte Armee über: im ganzen Lager ertönte
	        
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