Full text: Norddeutsches Lesebuch

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Thaut nun im Frühjahr der Schnee auf, so wollen die schnellen Tropfen hurtig 
nach dem Bache und mit ihnen ins Meer eilen. Aber das dichte Moos hält viele von ihnen 
auf, um die Eichel und die Haselnuß und die Samenkörnchen der Blumen zu tränken; 
da fangen sie alle an zu keimen und zu sprießen. Aber die zarten Keime würden bald 
dem kalten Märzhauch erliegen, wenn das Moos nicht wie eine treue Wärterin alle seine 
Blaͤtter ausbreitete und sie damit schützend umfinge. 
Nun aber wird es wirklich wärmer. Aus fernen Lündern kehren Rothkehlchen und 
Nachtigallen wieder und beginnen ihre Nester zu bauen. Da muß nun wieder das Moos 
helfen, daß die kleinen Vögel ihr Nest dicht ausfüttern und für ihre Jungen ein warmes 
Bettchen bekommen. Bald kommt auch das Häslein und das Reh und suchen ein sicheres und 
trauliches Versteck, in dem sie ihre Jungen pflegen können. Ihnen breitet sich das Moos 
als weicher Teppich aus, auf dem sie alle ein schönes Lager haben. 
Aber auch den Menschen bietet eine Art dieser Pflanze, das Torfmoos, eine große 
Wohlthat. Nach oben wächst es immer weiter, während es nach unten abstirbt und so 
Torf bildet. Den stechen dann die Torfgräber, und wenn er getrocknet ist an der Sonne, 
verkaufen sie ihn als Feuerungsmittel. Dann heizt uns das Torfmoos die Stube und 
hilft die Speisen kochen. 
So zeigt uns diese kleine Pflanze, daß selbst das Kleinste durch Gesellschaft Großes 
vermag. Sie lehrt den schwachen Menschen sich freundlich an andere anzuschließen, und in 
Gemeinschaft mit anderen führt er dann große Werke aus, die oft selbst dem Starksten, 
wenn er vereinzelt steht, nicht möglich wären. 
127. Sehnsucht nach dem Frühling. 
. O wie ist es kalt geworden 
und so traurig, öd' und leer! 
Rauhe Winde wehn vom Norden, 
und die Sonne scheint nicht mehr. 
Auf die Berge möcht' ich fliegen, 
möchte sehn ein grünes Thal; 
möcht' in Gras und Blumen liegen 
und mich freun am Sonnenstrahl; 
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möchte hören die Schalmeien 
und der Herden Glockenklang; 
möchte freuen mich im Freien 
an der Vögel süßem Sang. 
Schöner Frühling, komm' doch wieder! 
Lieber Frühling, komm' doch bald! 
Bring' uns Blumen, Laub und Lieder, 
schmücke wieder Feld und Wald! 
128. Drei Räthsel. 
l. Man läßt ihn sprechen, 
man laͤßt ihn stechen; 
es ist ein Vogel 
und ein Gebrechen. 
Korn wird mit ihnen rein gemacht, 
und Eines giebt mit ihnen Acht; 
doch wer mit ihnen Wasser schoͤpft, 
der hat Erstaunliches volbracht. 
Ich weiß ein kleines Hämmerlein 
in einem dunklen Kämmerlein, 
das pocht und klopfet Tag und Nacht, 
ob einer schläft, ob einer wacht. 
Doch stärker klopft's das eine Mal 
und schwächer dann das andre Mal. 
Nun höre wohl, was ich dir sag', 
und merk' auch auf des Hammers Schlag. 
Sag' ich: „Komm' her, o liebes Kind, 
3. Das Hhümmerlein. 
o komm', o komm' mit mir geschwind 
und sieh was dir in dieser Nacht 
das Christkind Schönes hat gebracht,“ 
da pocht im dunklen Kämmerlein 
gar leicht und froh das Hämmerlein 
Im Takte pocht es, daß dein Fuß 
dazu vor Freuden hüpfen muß. 
Wohl dir, wenn reine Freud' allein 
dir pochen macht das Hämmerlein!
	        
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