Full text: Norddeutsches Lesebuch

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Deutsches Dichterbuch. 
2. Lindenschmied. 
Es ist nicht lang, daß es geschah, 
daß man den Lindeuschmied reiten sah 
auf einem hohen Rosse; 
er ritt den Rheinstrom aus und ab, 
hat sein gar wohl genossen. 
„Frisch her, ihr lieben Gesellen mein, 
es muß sich nur gewaget sein; 
wagen das tut gewinnen; 
wir wollen reiten bei Tag und Nacht, 
bis wir ein' Beut' gewinnen." 
Dem Markgrafen von Baden kamen 
neue Mär', 
wie man ihm ins Geleit gefallen wär', 
das tät' ihm sehr verdrießen; 
wie bald er Junker Kasper schrieb, 
er sollt' ihm ein Reislein dienen. 
Junker Kasper zog dem Bäuerlein ein' 
Kappen an, 
er schickt ihn allzeit vorne daran 
wohl auf die freie Straßen, 
ob er den edlen Lindenschmied fänd', 
denselben sollt' er verraten. 
Das Bäuerlein schiffet über Rhein, 
er kehret zu Frankental ins Wirtshaus ein: 
„Wirt, haben wir nichts zu essen? 
Es kommen drei Wagen, sind wohl beladen, 
von Frankfurt aus der Messen." 
Der Wirt der sprach dem Bäuerlein zu: 
„Ja, Wein und Brot hab' ich genug, 
im Stall da stehn drei Rosse, 
die sind des edlen Lindenschmied, 
er nährt sich auf freier Straßen." 
Das Bäuerlein dacht' in seinem Mut: 
„Die Sach' wird noch werden gut, 
den Feind hab' ich vernommen." 
Wie bald er Junker Kasper schrieb, 
daß er sollt' eilends kommen! 
Der Lindenschmied der hätt' einen Sohn, 
der sollt den Rossen das Futter tun, 
den Laser tät er schwingen: 
„Steh auf, herzliebster Vater mein, 
ich hör' die Harnisch' klingen." 
Der Lindenschmied lag hinterm Tisch 
und schlief; 
sein Sohn der tät so manchen Rief, 
der Schlaf hat ihn bezwungen. 
„Steh auf, herzliebster Vater mein, 
dein Verräter ist schon kommen!" 
Junker Kasper zu der Stuben eintrat, 
der Lindenschmied von Herzen sehr erschrak. 
„Lindenschmied, gib dich gefangen! 
Zu Baden an dem Galgen hoch, 
daran so sollst du hangen." 
Der Lindenschmied der war ein freier 
Reutersmann, 
wie bald er zu der Klingen sprang: 
„Wir wollen erst ritterlich fechten!" 
Es waren der Bluthund' also viel, 
sie schlugen ihn zu der Erden. 
„Kann und mag es denn nicht anders gesell 
so bitt' ich um den liebsten Sohne mein, 
auch um meinen Reutersjungen, 
und haben sie jemand leid getan, 
dazu hab' ich sie gezwungen." 
13. Junker Kasper der sprach nein dazu: 
„Das Kalb muß entgelten der Kuh; 
es soll dir nicht gelingen; 
zu Baden in der werten Stadt 
muß ihm sein Haupt abspringen." 
Sie wurden alle drei gen Baden gebracht, 
sie saßen nicht länger denn eine Nacht; 
wohl in derselbigen Stunde 
da ward der Lindenschmied gericht', 
sein Sohn und der Reutersjunge.
	        
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