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sondern in den Werken des Friedens und auf dem Gebiete nationaler Wohl⸗
fahrt, der Freiheit und Gesittung.“
8. Das Ende des Krieges. — Paris hatte die Leiden der Belagerung
länger ertragen und größere Kraft bewiesen, als irgend anzunehmen gewesen wan
Das Jahr 1870 neigte sich seinem Ende zu, und noch immer stellten sich keine
sicheren Anzeichen des nahen Falles der Hauptstadt ein. Da ward zum äußersten
Mittel geschritten. Am 27. December begann der Kronprinz von Sachsen an der
östlichen Seite, am 5. Januar der Kronprinz Friedrich Wilhelm von Süden her
den Artilleriekampf. Durch die Geschicklichkeit und Ruhe, womit unsere Kanoniere
zielten und feuerten, gelang es bald, einige der schützenden Festungen zum Schweigen
zu bringen; immer näher rückten unsere Batterien an die Stadt selber heran,
und bald erreichten ihre Bomben den südlich von der Seine gelegenen Theil von
Paris, wo sie fürchterliche Verheerungen anrichteten und den trohigen Muth der
Belagerten brachen. Unablässig rollte der Geschützdonner, der die Erde erbeben
machte, denn die Pariser erwiderten natürlich, wo sie es vermochten, das Feuer;
es war ein Krachen und Tosen, wie es noch nie in der Welt gehört worden war
Während in Versailles das deutsche Kaiserthum wieder aufgerichtet ward, um als
Hort des europäischen Friedens dazustehen, tobte um die Mauern von Paris ein
so entsetzlicher Geschützkampf, daß es schien, als sollte die Welt aus ihren Fugen
gehen: „durch Nacht zum Licht!“ hieß es auch hier, durch den blutigsten Krieg
mußten die Segnungen des Friedens erobert werden.
Inzwischen machten die Franzosen, die sich noch immer nicht überzeugen
konnten oder wollten, daß ihr Kriegsruhm vor der deutschen Tapferkeit verschwun⸗
den sei, gegen den Elsaß hin eine letzte Anstrengung. Hier hatte bisher das etwa
40,000 Mann starke Corps des Generals v. Werder nach dem Falle von
Straßburg die übrigen Festungen bis auf Belfort erobert und war in südwest⸗
licher Richtung bis über Dijon hinaus vorgedrungen. Gegen ihn sandten jetzt
die Franzosen ein neues mächtiges Heer von 130,000 Mann unter General
Bourbaki, mit der Bestimmung, zunächst das Werdersche Corps zu vernichten,
sodann die belagerte Festung Belfort zu entsetzen und endlich entweder nach Deussch—
land die Gräuel des Krieges zu tragen oder die Verbindung unserer Pariser Heere
mit der Heimat zu unterbrechen. Die Gefahr war ernst genug. Sobald der
Plan Bourbakis deutlich hervortrat, beschloß der König, eine eigene Südarmee
(die Fünfte) ihm entgegenzustellen, indem er das 2. Armeecorps (die Pommerm)
und das 7. (die Westfalen) zu Werders Truppen marschieren ließ. Der Ober—
befehl über dieses neue Heer ward dem General v. Manteuffel übertragen, während
derselbe als Führer der Ersten Armee durch General v. Göben ersetzt ward.
Aber die beiden Corps, welche Werder unterstützen sollten, hatten erst gewaltige
Märsche zu machen, die Pommern von Paris her nicht weniger als 60 Meilen.
Inzwischen drängte Bourbaki vorwärts, Werder mußte Dijon räumen und sich mit
seiner Schaar in eine feste Stellung unweit Belfort zurückziehen. Hier hatte er
vom 15. 17. Januar 1871 drei furchtbare Schlachttage zu bestehen, aber weil
jeder Soldat fest entschlossen war, lieber zu sterben, als zu weichen, so behaup—
tete er siegreich gegen die dreifach überlegene Zahl von Fein—
den seine Stellung Dies war eine der glänzendsten und folgenreichsten
Thaten in dem ganzen Kriege. Bourbaki mußte jetzt den Rückzug unternehuen,
aber schon war es zu spät. Denn Manteuffel verlegte ihm durch außerordentlich
geschickt geleitete Märsche über die schneebedeckten Höhen des Jura den Weg