Full text: (Für das 4. und 5. Schuljahr) (Teil 2, [Schülerband])

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sammelten sich in der neuen Kirche zu Eichstädt, in der von der 
hand des Maurermeisters nichts mehr fehlte als das Pflaster, etliche 
Steinmetzen, die der Bischof aus Tirol, dem Fichtelgebirge und dem 
Rheingau auf seine Kosten berufen hatte. Die Steinproben trugen 
ihnen ihre Gesellen in kleinen hölzernen Kästen nach und stellten 
sie nebeneinander auf eine lange Tafel. Darauf fanden sich nach 
und nach mehrere Grafen und Herren aus der Nachbarschaft ein, 
die schon reichlich zu dem Kirchenbau beigesteuert hatten und nun 
auch noch bei dem Pflaster ein übriges tun sollten Endlich erschien 
auch der Fürstbischof mit seiner ganzen KRlerisei und seinen weltlichen 
Beamten hinter sich, und als alle beisammen waren, schien es fast, 
als sollte eine Kirchenversammlung gehalten werden, so viele 
waren ihrer. 
10. Der Bischof nahm nun die schön geschliffenen Proben aus 
den KRästlein, eine nach der andern, und es war keine darunter, die 
ihm und seinem Gefolge nicht gefallen hätte. Auch waren zum 
Teil die kleinen Marmelsteine in den Schubladen so nebeneinander 
gelegt, weiße und schwarze, gelbe und graue, bunte und einfarbige, 
daß man schon im kleinen sehen konnte, wie herrlich schön ein Stein⸗ 
pflaster davon im großen ausfallen würde. Aber als die fremden 
Steinmetzen nacheinander sagten, was der Quadratfuß davon schon 
In Ort und Stelle koste, und als der Baumeister an den Fingern 
berechnete, wieviel Quadratfuß er brauche, und als der Rentkmeister 
die Gesamtsumme in Goldgulden aussprach, fuhr der Bischof mit 
der Hand hinter das Ohr, und sein Schatzmeister schüttelte mit dem 
Kopf, und die Grafen und Herren machten große Augen. Ja, ein 
Moͤnchlein, das noch nie mehr als einige Heller in dem Opferstock 
seines Klosters beisammen gesehen hatte, schlug in dem ersten 
Schrecken ein Kreuz. Alle standen und sahen einander schweigend an. 
WIn diesem Augenblick entstand unter dem Hauptportale der 
kirche ean Geräusch. Zwei Trabanten des Fürstbischofs wollten 
einen barfüßigen Bauernknaben nicht hereinlassen und hielten ihre 
Hellebarden vor; aber der Knabe duckte sich, schlüpfte darunter 
hinweg wie eine Henne unter der Gartentüre und drängte sich dann 
ohne Umstände mitten durch die Versammlung, bis er vor dem 
Bischof stand, dem er den Saum seines Kleides küßte. Seine Mütze, 
an der nicht viel zu verkrüppeln war, nahm er zwischen die Kniee, 
drei viereckige und zolldicke Schieferplatten, eine blaßgelbe, eine blau⸗ 
graue und eine marmorierte, nahm er aus der Schürze, womit sie 
mickelt waren, und legte sie auf die Tafel. Sie waren noch naß, 
denn er hatte sie erst in den Dombrunnen getaucht. Desto mehr 
aber glänzten die geschliffenen Seiten und zeigten, wie schön die
	        
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