Full text: (Für das 4. und 5. Schuljahr) (Teil 2, [Schülerband])

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einzige Wirtschaft im Freihafen, diese Halle hier.“ „Warum gehen 
denn die Arbeiter nicht zu Mittag nach Hause?“ fragte ich Onkel. 
„VNach Hause ? Ach, lieber Gott, wo denkst du wohl hin! Für die 
meisten wär' das viel zu weit, die wohnen ja ganz draußen, wo die 
Mieten 'n büschen billiger sind. Und wie viele fremde Arbeiter gibt 
das hier, die haben überhaupt bloß 'ne Schlafstelle und weiter gar 
nichts! Reine Familie, keine kleine Stube, wo sie sagen können, ‚dies 
ist nu meine Stube‘. Heute arbeiten sie in Hamburg, und morgen, 
wenn sie nichts zu tun finden, denn müssen sie nach Stettin meinet⸗ 
wegen oder nach Kopenhagen oder nach London, daß sie man 
wieder Arbeit finden. Die sind da böse dran.“ Ich betrachtete die 
Ceute in der Raffeehalle, und bald konnte ich solche erkennen, die 
gewiß keine Hamburger waren. „Guck, da sitzt sogar 'n Veger,“ 
fagte Onkel und zeigte in eine Ecke, „das möcht' ich nu auch wohl 
wissen, wie das dem im Hamburger Winter gefällt!“ 
6. Wir gingen dann mit Onkel einen langen Kai entlang, wo 
der Wind uns um die Ohren pfiff. Dort waren wenig Ceute. 
Endlich kamen wir an ein Segelschiff, zu dem eine Planke hinüber— 
führte, hoch in der Cuft. „Hier, zu Kapitän Williams,“ sagte Onkel. 
Wir gingen auf das kleine Schiff, es war ein Vorweger Schoner, 
sagle Onkel. Das Deck war voll von weißem Veif. Der Kapitãn 
war sehr freundlich; er saß in seiner warmen Kabine und rauchte 
aus seiner Tonpfeife. Kapitän Williams sagte uns auf englisch 
guten Tag, und dann sprach Onkel norwegisch mit ihm. Wir be—⸗ 
famen dort jeder eine schöne Apfelsine mit Blättern. „Von Malta,“ 
sagte Onkel Hein, „wenn ihr wißt, wo das ist.“ — „Guck,“ sagte 
Onkel, als wir wieder über die CLaufplanke zurückgingen, „das schöne 
Schiff da fährt im Sommer regelmäßig nach dem VNordkap; das 
ist ja jetzt 'ne Vergnügungstour.“ „Ich möchte auch mal mit!“ 
schrieen wir alle drei. ‚Na, erst wollen wir mal wieder zurück nach 
n Raiserkai,“ sagte Onkel lachend, „nach 'm Vordkap 'n andermal!“ 
95 Der Fährdampfer nahm uns wieder auf, und bald sahen 
wir vor uns den Riesenspeicher am Kaiserkai mit seinen roten Mauern 
aus dem Wasser steigen, und der goldene Zeitball glänzte von 
weitem. Ilse Frapan. 
286. Die Auswanderer. 
. Ich kann den Blick nicht von euch wenden 
ich muß euch anschau'n immerdar; 
wie reicht ihr mit geschäft'gen Händen 
dem Schiffer eure Habe dar!
	        
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