36
7. So kauften und verkauften die beiden Eheleute den Ochsen
alle Tage, bis sie einst gezwungen waren, ihn an den Händler zu
verkaufen. Damit sie aber alle Tage ihren Weinkauf hätten und
ihren Durst löschen könnten, ohne das Gelübde zu verletzen, verkauften
sie einander nun die Kuh und später die Ziege. Endlich gab es nichts
mehr zu verkaufen; Haus und Hof aber wurden um der vielen
Schulden willen von dem Gericht versteigert. Hans und Liese mußten
ihrem Gute den Rücken wenden, und ihr ferneres Schicksal gestaltete
sich nach den Versen:
Da nahmen sie den Bettelstab
und litten Durst bis an das Grab.
Albert Richter.
37. Speise und Trank.
Man ißt, um zu leben, und lebt nicht, um zu essen. — Wenn die
Maus satt ist, so schmeckt das Mehl bitter. — Die Karte und die Kanne
machen manchen zum armen Manne. Der Volksmund.
Wer ohne Hunger essen soll,
dem schmeckt die Speise selten wohl.
Wenn das satte Kind nicht essen kann,
steht ihm der Honig selbst nicht an.
Wem aber weh der Hunger tut,
dem dünkt geringe Speise gut.
Tu deinem Bauche nicht zu gut,
er ist ein undankbarer Gast!
Wer ihm am meisten gütlich tut,
dem fällt am meisten er zur Last.
Es trinken tausend sich den Tod,
eh' einer stirbt in Durstesnot.
Freidank.
Freidank.
Friedrich Rückert.
Friedrich Rückert.
38. Meines Kindes Abendgebet.
1. Der Tag ist um, 2. In deiner HQut 3. Dich fleh' ich an:
und wiederum wie bin ich gut! Zeig mir die Bahn,
hat deine Macht Kein Vögelein laß fromm und rein
dein Kind bewacht! ist dir zu klein. mein Leben sein!
Und fort und fort Mein Kindeswort An jedem Ort
bet' ich zu dir: dringt auch zu dir: steh' ich vor dir
O Herr, mein Hort, O Herr, mein Hort, O Herr, mein Hort,
sei du mit mir! sei du mit mir! sei du mit mir!
Heinrich Leuthold.