Full text: Deutsches Lesebuch für Quinta (Teil 2, [Schülerband])

E. Frommet: Ein preußischer Standartenjunker. 
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keinen Gaul von nahem gesehen und will mit in den Krieg reiten?" — 
„Halten zu Gnaden, Herr Oberst", sagte unerschrocken das Bürschlein, „ich 
kann auf dem größten Gaul sitzen, ohne daß er niich herunterkriegt." — 
„So, wo hat Er denn das gelernt?" fragte der Oberst. „Bei meines 
Vaters Rossen, Herr Oberst!" — „Wer ist denn Sein Vater?" — „Halten 
zu Gnaden, Herr Oberst, das sag' ich nicht!" — „Was, will Er mir wohl 
Seinen Vater sagen? Ist Er nicht ehrlicher Leute Kind?" — „Gerade 
deswegen sag' ich's nicht. Denn wenn ich's sage, dann nehmen mich Euer 
Gnaden nicht." — „Woher weiß Er das?" — „Nun, meine Eltern halten's 
nicht mit dem großen Könige und sind ihm spinnefeind. Aber ich halte 
es mit ihm und will unter ihm kämpfen." — „Er ist wohl Seinen Eltern 
fortgelaufen, he?" — „Nein, meinen Eltern nicht, aber dem Schul¬ 
meister. Ich hab's nicht mehr aushalten können, seit ich weiß, daß der 
König wieder in den Krieg muß." — „Hör' Er, Er gefällt mir. Wie heißt 
Er?" — „Halten zu Gnaden, Herr Oberst, das sag' ich nicht. Erst wenn 
Euer Gnaden mir versprechen, daß Sie mich nehmen wollen, dann wird's 
gesagt." — „Potz Bomben und Granaten! will Er wohl Ordre parieren! 
Hab' ich doch mein Lebtag keinen so obstinaten Knirps gesehen. Aber hör' 
Er, Er gefällt mir doch und hat einen Schädel, auf dem die Österreicher 
trommeln werden. Reit' Er mir einmal etwas vor!" 
Der Oberst rief seine Ordonnanz. „Den Rappen vorführen!" befahl 
er. Es war ein feuriges Tier, das mutig stampfte und wieherte. „Auf¬ 
sitzen!" befahl der Oberst. Wie der Blitz mar der Bursche oben und hielt 
vor dem Obersten. „Run reit' Er einmal einen sanften Trab, und dann 
mach' Er die Skala durch und geb' Er acht, daß ihm der Kerl nicht durch¬ 
geht!" Der Bursche ritt erst langsam, dann immer rascher, dann flog er 
dahin, kam in vollster Carriere angesprengt auf den Obersten zu und hielt 
einen Fuß breit vor ihm. 
„Potz Mohren Element!" rief der Oberst, „wo hat Er das gelernt?" 
— „Bei meines Vaters Rossen, Euer Gnaden," sagte wieder trocken das 
Bürschlein. „Hör' Er, Er kann dableiben. Aber nun sag' Er mir, wer Er 
ist." — „Euer Gnaden geben mir aber das Ehrenwort, daß ich bleiben 
kann." — „Will Er wohl? Nun ja — Er hat's. Sage Er nur, Er ist 
aber doch ein infamigter Schlingel mit seinem Parlamentieren!" — „Run, 
mein Vater ist Oberstallmeister Seiner Durchlaucht des Herzogs von Wei¬ 
mar, und ich bin sein Sohn Julius und bin in kurfürstlich sächsischer 
Schule Eleve. Aber da ich Euer Gnaden Regiment habe passieren sehen, 
hat mich's bis ins Herz hinein gestochen, und Tag und Nacht bin ich 
gelaufen, bis ich Euch eingeholt." 
Der Oberst strich sich etwas bedenklich die Stirn, denn er dachte: du 
könntest bei dieser Gelegenheit in die schwarze Küche fahren; — dann 
überwand er aber fein Bedenken, als er auf den schwarzäugigen Burschen 
schaute, der ihn anblickte, als wollte er sagen: „Euer Gnaden werden doch
	        
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