Full text: Norddeutsches Lesebuch

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218. Soldatengeschichten. 
Haupt und sprach: „Herr Prediger, ich danke Ihnen für Ihre Trostgründe 
aber erlauben Sie mir eine Frage und versprechen Sie mir, diese gewissenhaft 
zu beantworten.“ Der Geistliche versprach ihm das freundlich. „Wohlan, Herr 
Prediger! sagen Sie mir, ob wir die Schlacht gewinnen werden.“ „Ja, mein 
Sohn!“ erwiderte der Prediger, erstaunt über die Vaterlandsliebe des jungen 
Mannes, „wenn du in dieser Gewißheit Ruhe findest: der Sieg ist unser! 
Deine Kameraden sind in vollem Vorrücken, und es kommen bis hierher keine 
feindlichen Kugeln mehr; der Feind zieht sich zurück!“ „Nun, da will ich 
nichts mehr hören; gottlob, Preußen ist freil“ — so zog er die Mütze über 
die Augen und war in wenigen Minuten entschlafen. Dieser Brave hieß Puzzier. 
3. Die erste Fahne. Vor Nachod, am 27. Juni 1866, wurde die 
erste Fahne erbeutet. Bei dem Flankenangriff auf die österreichischen Küras⸗ 
siere sah der Dragoner-Lieutenant von Raven plötzlich die feindliche Stan— 
darte vor sich. Sofort warf er sich mit einigen seiner Reiter auf deren 
Träger, der sich mit äußerster Entschlossenheit verteidigte. Aber der preußische 
Offizier läßt nicht ab; den Säbel in der Faust, ringt er mit dem tapferen 
Gegner, bis es ihm endlich gelingt, diesen vom Pferde zu stoßen und ihm 
das teure Kleinod zu entreißen. Dem Dragoner-Lieutenant v. Raven war 
es darum auch vergönnt, die Siegesbeute von Nachod in Berlin abzuliefern. 
Aus den Händen der Königin empfing der Tapfere einen Lorbeerkranz. 
4. Ein Braver auf Seiten der Gegner. Ein schwerverwundeter 
österreichischer Fähnrich bleibt bei Königgrätz (3. Juli 1866) am Rande 
einer Pfütze liegen. Nach dem Gefechte bemühen sich die preußischen Kranken— 
träger, ihn auf einen Wagen zu heben, um ihn ins Lazaret zu fahren. Er 
aber bittet und fleht, man möge ihn liegen lassen; durch das Wasser könne 
er seine Wunde kühlen. Sie gehen weiter. Auf der Rückkehr wenden sie 
sich noch einmal zu dem Fähnrich; — er ist bereits verschieden. Sie heben 
die Leiche auf und finden unter ihr — die Fahne, die der brave Soldat 
mit seinem Leibe gedeckt hat. 
5. Aus der Schlacht von Langensalza am 27. Juni 1866. Das 
hannoversche Heer hatte mit überlegenen Streitkräften die Preußen zurückgedrängt; 
von beiden Seiten war mit heldenmütiger Tapferkeit gekämpft worden, aber leider! 
leider! war dies eine Schlacht zwischen deutschen Brüdern, die so oft früher 
miteinander verbündet gekämpft hatten. Unter den zurückweichenden Preußen war 
ein nur noch 600 Mann starkes Bataillon schlesischer Grenadiere Nr. 11. Ihr 
Führer Oberstlieutenant des Barres läßt Halt machen und ein Viereck bilden. 
Da erhebt sich plötzlich eine leichte Staubwolke, und man sieht einen 
hannoverschen Offizier heransprengen. Er schwingt den Säbel, an dessen Spitze 
ein weißes Tuch befestigt ist. Offiziere und Soldaten richten ihr Angesicht 
auf den Führer; dieser lächelt. — Der Hannoveraner hält vor der Front. 
„Herr Kamerad“, ruft er, „vermeiden Sie unnützes Blutvergießen. Ihre 
Leute haben sich tapfer geschlagen. Ergeben Sie sich. Im Namen meines 
Generals bitte ich um Ihren Degen.“ Jetzt furcht sich manche Stirn. Was 
wird der Führer antworten? — Dieser hat still zugehört; mit ruhigem Tone 
antwortet er: „Meinen Degen? Bitte, Herr Kamerad, den brauche ich selbst.“ 
— Ein lautes Gelächter ertönt im ganzen Viereck. Der Hannoveraner
	        
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