Full text: Norddeutsches Lesebuch

26. Die Bauernhäuser Schleswig-Holsteins. 
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entdeckt, das Land wieder in Ordnung zu bringen. In einer gewissen Tiefe 
befinde sich eine Art Kleie, womit fich dem Äcker eine Fruchtbarkeit ohne— 
gleichen mitteilen lasse. Hätte er nur das Geld dazu, sie herauszugraben, 
würde er den Hof gerne behalten; aber er schäme sich, dem Herrn Boje 
zuzumuten, ihm zu diesem Zwecke 600 Mark zu leihen. „So sieht Er doch 
selbst ein“, sagte Boje, „daß dieses eine unbescheidene Zumutung ist. Daher 
thut Er denn auch besser, daß Er sich fortmacht und an einen anderen wendet, 
der ein solches Unternehmen, als Er mir da vormacht, besser beurteilen kann.“ 
Parren ging; aber Boje ließ sich die Sache durch den Kopf gehen und ent— 
schloß sich, es noch einnal mit Drews zu wagen. Er rief ihn zurück und sagte: 
„Da ist das Geld, was Er verlangt. Seine Handschrift verlange ich nicht, 
denn Er hat doch weiter nichts zu verschreiben, als seine Ehrlichkeit.“ Parren 
aber wollte zuerst nur 300 Mark leihen und ließ die anderen liegen. Er fing 
nun sogleich an, auf einer seiner Fennen zu pütten (tiefgraben); alle Nachbarn 
konnten nicht begreifen, was er beginnen wolle, und schüttelten die Köpfe. 
Er fuhr ungestört fort und besäete seine Fenne mit Weizen. So schönen 
Weizen hatten die Nachbarn noch nicht gesehen und bekamen fast schon Lust 
zur Nachahmung; doch es blieb dabei. Parren verfuhr nun mit einer anderen 
Fenne auf gleiche Weise und löste aus dem Ertrage so viel, daß er nicht nur 
seine Wirtschaft verbessern, sondern auch die geliehenen 300 Mark an Boje 
zurlickgeben konnte. Freudig ging er mit dem Gelve und den Zinsen zu ihm, 
reichte ihm sogleich beide Beutel dar und sagte mit Freudenthränen in den 
Augen: „Gott ist mit meinem Vorhaben gewesen, Herr Boje. Hier in diesem 
Beutel ist das Kapital, in diesem sind die Zinsen, den schuldigen Dank laßt 
Ihr in meinem Herzen wohl aufbewahrt bleiben.“ Hier traten beiden Freuden— 
thränen in die Augen, und sie sahen stillschweigend einer den andern an. 
Zuletzt drückte Boje den Beutel mit den Zinsen dem Parren wieder in die 
Hand und sagte: „Nein, mein Freund! nicht also, hier hat Er die Zinsen 
wieder. Er hat mir schon hinreichenden Lohn durch die erhaltene Überzeugung 
entrichtet, einem ehrlichen jungen Manne mit meinem Gelbe gedient und ihn 
glücklich gemacht zuͤ haben. Solche Zinsen laufen jetzt selten ein. Gehe Er 
nur in Gottes Namen wieder an seine Pütten, alsdann soll sich das übrige 
mit uns schon finden.“ Parren ging von nun an noch rascher ans Werk, und 
bald folgten alle seinem Beispiele Er starb im März 1800 am Westerdeich 
im Kirchspiel Marne. 
26. Die Bauernhäuser Schleswig-Holsteins. 
In früheren Zeiten wohnten in den Herzogtümern drei streng voneinander geschie⸗ 
dene Volksslämme nebeneinander Deutsche, Jüten und Wenden. Zwei zur Zeit Karls 
des Großen gegründete Marken (Militärgrenzen) schützten von der Schwentine bis zur 
Delvenau und an der Schlei und Eider lange Zeit vor den Angriffen der beiden feindlichen 
Nachbarn. Seit der Erxoberung Wagriens sind jedoch die Wenden durch fremde und ein— 
heimische Ansiedler zurückgedränigt und schon um 1350 völlig ausgerottet oder mit den 
Sachsen verschmolzen. Nuͤr die Namen zahlreicher Orsschaften wie Ein, Preetz, Rantzau 
und die Eigennamen vieler Bewohner (Zachow, Scharbow), überhaupt alle, die sich auf in, 
itz, ow endigen, zeigen, daß diese Gegenden einst von einem nichtdelutschen Volke bewohnt 
gewesen sind Ähnlich wie den Wenden ist es dem jütschen Volksstamme in Schleswig 
ergangen, dessen Mundart einst bis an die Schlei reichte und jetzt schon weit nach Norden 
zurückgedrängt ist.
	        
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