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Die mannshohen Roggenhalme, die von einem sanften Winde leise
bewegt wurden, erregten zuerst meine Bewunderung. Ich Iprach
bei mir selbst Welch ein Wunder Gottes ist doch so ein Roggeñ—
halm! Schlank und hoch wie ein Mann steht er da und trägt
eine lange, schöne Ähre, die jetzt zwar noch leicht ist und aufrecht
steht, nach wenigen Wochen aber, mit schweren, mehlreichen Körnern
angefüllt, sich neigend zur Erde beugt. Hohl wie ein Rohr, kaum
halb so dick wie ein Federkiel ist er doch stark genug, die schwere
Ahre zu tragen und dazu manchmal noch starke Windstöße auszu⸗
halten und Regengüssen zu widerstehen. Das kommt hauptsächlich
daher, daß er nicht steif und stolz sich erhebt, nicht trotzig sich
entgegenstellt, wenn Stürme sich ihm nahen, sondern daß er sich
zu neigen und zu beugen weiß, ohne zu brechen. Tritt herzu, du
Menschenkind, und lerne von diesem Roggenfelde, wie du allein recht
groß und stark werden kannst durch die Demut!
Meine Betrachtung war noch nicht zu Ende. Die blühenden
Ähren zogen jetzt meine Aufmerksamkeit auf sich. Aus den steifen
Hüllen drangen je drei längliche Beutelchen hervor, angefüllt mit
dem feinen Blütenstaub, der überall da nötig ist, wo Frucht-
körnlein entstehen sollen. Jene Beutelchen hingen an sehr feinen
Fädchen, Staubfäden genannt, und das leiseste Lüftchen wehte sie
hin und her. Ich gab genau acht auf die Staubbeutelchen, wie
sie aus den Hüllen hervorbrachen, und wie sie alsbald auch
zerbarsten und sich leerten. Den herausfallenden Blütenstaub zerrieb
ich zwischen den Fingern, und es kam mir vor, als bestehe er
aus lauter kaum sichtbaren Körnchen von ölichter Beschaffenheit. Ich
dachte; Wie wunderbar bereitet doch der liebe Gott das nahrhafte
Brot für uns arme Menschenkinder! Wären diese fast unsichtbaren
Nörnchen des Blütenstaubs nicht, oder fehlte sonst etwas, das zum
Wachstum der Getreidekörner noch nötig ist, kein Mensch äße
Brot auf Erden. Nun aber läßt Gott alle Jahre neben den
Gräsern für das Vieh auch das Getreide für die Menschen, ein
jegliches nach seiner Art, aufwachsen, und seine Verheißung bleibt
wahr, daß nicht aufhören soll Samen und Ernte.