Full text: [Teil 2 = 4. bis 7. (8.) Schuljahr, [Schülerband]] (Teil 2 = 4. bis 7. (8.) Schuljahr, [Schülerband])

430 
Spitze des Serails in das Goldne Horn einbog und die sinkende Sonne 
ringsum die bleigedeckten Kuppeln, die Minarets mit ihren goldnen 
Halbmonden, die aus hochstämmigem Platanendickicht und dunkelm 
Zedernwald aufragenden Paläste, Türme und Säulen mit ihrem 
Purpurlichte überströmen sah, gestand ich mir, daß die Erde, soweit 
ich sie kenne, nichts gleich Prachtvolles biete. Freilich erhöht die 
Abendbeleuchtung den Zauber dieses Anblicks. Indessen er ist herrlich 
zu allen Stunden, und man kann sich nicht an ihm ersättigen. 
Wenn man sich von dieser Flut wiegen läßt und in die ätherklaren 
Wellen hinabblickt, während der Kiel des Nachens bald eine Zypresse, 
bald ein schlankes Minaret, das sich in ihnen spiegelt, durchschneidet, 
glaubt man sich in ein Märchenreich versetzt. 
So erscheint mir Konstantinopel immer sinnberückend, unver— 
gleichlich, so oft ich im Nachen zwischen seinen Häuserreihen hingleite. 
Aber sobald ich ans Ufer trete, versinkt das entzückende Bild, und ein 
anderes von häßlichen Zügen grinst mich an. Es gibt nichts Widrigeres 
als diese schmutzigen Gassen mit meistenteils elenden Häusern zu 
beiden Seiten. Nur wenn man an einen der größern Plätze, der 
vielen öffentlichen Brunnen kommt oder von einem erhöhten Punkte 
aus die zypressenbesetzten Friedhöfe sich an den Abhängen hinziehen, 
die Moscheentürme über hohe Baumwipfel emporragen sieht, wird man 
wieder mit der Stadt versöhnt. Nach Adolf Friedrich Graf v. Schack. 
329. Bethlehem. 
Bethlehem! Wie es lieblich und majestätiseh zugleiech da— 
liegt, fast grobartiger und stattlicher als das Bild, das wir von 
ihm im Herzen trugen! auf schön geschwungenen Höhenrücken 
zieht sich die Zeile seiner Häuser hin mit manchem mächtigen 
Bau, mit Kirchen, Klöstern und Schulen. Im Innern freilich 
sioht es nicht viel besser aus als in andern Städten Palästinas. 
Die Häuser sind sehlecht und verwahrlost, die Gassen schmutzig 
und so eng, dab das Ausweichen Schwierigkeit macht; aber 
die Bewohner haben etwas Adeliges und Freies. Die buntgeklei- 
deten Frauen genieben alten Schönheitsruf. Ihr Kopfschleier wallt 
herab von einer hohen steifen Mütze, die ringsum mit groben 
und kleinen Münzen benäht ist und von der zu beiden Seiten 
noch zwei Münzenschnüre herabhängen. Die Bethlehemiter fer— 
tigen aus Perlmutter, aus Olivenkernen und Olivenbolz, aus dem
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.