40
6
und eine vierte erklettert und durchschneidet den berühmten St. Gotthard.
Die Amerikaner aber haben ein ungleich größeres Werk zustande gebracht;
sie haben einen Schienenweg geschlagen von Ozean zu Ozean, von New—
York nach San Francisco, 4500 km lang. Die Lokomotive durcheilt die
Prairien, wo die Büffel und die Indianer hausen und vergebens ihr
Halt zu gebieten suchen. Sie fährt in Höhen von 2000 Metern, wo die
Lawinen herniederdonnern und meilenlange Schneedächer zum Schutze
errichtet werden mußten. Sie überfliegt Abgründe und durcheilt Tunnel,
und durch all diese Hemmnisse trägt sie die kühnen Reisenden, die sich
ihrer Führung anvertraut haben.
Überall sind die Eisenschienen von den TDelegraphen begleitet; aber
letztere haben auch einen Weg gefunden, wo die erstern nimmer gelegt
werden konnten. Auf dem Grunde der Ozeane, in Tiefen von 3000 Metern
und darüber; liegen die Drähte, in denen die Gedanken der Menschen
hinüber⸗ und herübereilen. Wunderlich ist uns zu Mute, wenn wir
hören, daß der Vetter in Amerika morgens 9 Uhr beim Frühstück die
Depesche liest, die mittags 12 Uhr desselben Tages in Europa dem
Drahte anvertraut worden, während allerdings der umgekehrte Weg für
die Elektrizität scheinbar drei Stunden währte. Nicht lange wird es
dauern, so umspannt die Leitung den ganzen Erdball, und der Engländer
kann, wenn's ihm gefällt, mit seinem deutschen Nachbar sich nicht bloß in
östlicher, sondern auch in westlicher Richtung unterhalten, und die Worte
werden, wenn die Amerikaner und Asiaten so gefällig sind, die Unterhaltung
zu gestatten, in derselben Zeit wie bisher auf der kurzen Strecke nach
Osten, d. h. eigentlich in gar keiner Zeit, anlangen; denn die Räume der
Erde sind für die Himmelstochter zu gering, als daß sie nennenswerte
Zeit für ihre Bewegung auf derselben bedürfte.
So verlieren Zeit und Raum allmählich mehr und mehr ihre
hemmende Bedeutung für den Menschen.
Georg Menke.
277. Sonne und Mond.
Von alters her ist die Sonne mit besonderer Verehrung von
den Völkern der Erde betrachtet, ja von manchen sogar ange-
betet worden; denn alles Leben und Gedeihen verdanken wir ihr.
Die Blume wendet sich hoffnungsvoll der Sonne zu, das Saatfeld
grünt unter ihren erwärmenden Strahlen; sobald sie aufgeht,
schwinden die bangen Sorgen der Menschen. Doch weit, weit
ist dieses freundliche Gestiun von uns entfernt; über 20 Millionen
1