Full text: [Teil 3 = 4. Schuljahr, [Schülerband]] (Teil 3 = 4. Schuljahr, [Schülerband])

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168. Wie die Bäume des Thüringer Waldes 
auf Reisen gehen. 
Wenn unsere Thüringer Waldbäume von ihren hohen Bergen so 
hinaussehen in die schöne Welt, bekommen sie auch Lust zur Wander— 
schaft. Aber mit der Post können sie freilich nicht reisen, und sie 
brauchen's auch nicht; denn sie haben im Walde einen guten Freund, 
der nimmt sie ohne viel Fuhrlohn mit hinaus in die Welt. Weißt 
du, wer es ist? — In verborgener Bergkammer ist er daheim, da liegt 
er als Kind still in krystallner Wiege, und die Wolken schicken ihm 
heimlich Nahrung zu; kein menschliches Auge hat noch in seine ver— 
borgene Kammer geschaut. Aber wenn er nun kräftiger geworden ist, 
tritt er leise zum Berg heraus. Mit hellen Augen sieht er sich um, 
und es muß ihm draußen gefallen, denn bald macht er sich auf, hurtig 
geht's den Berg hinab, über Stein und Felsen hüpft er mit Lärmen, 
durch Tal und Wiesengrund eilt er leise, hat keine Ruhe, wandert 
fort in die Fremde. 
Nur im strengen Winter bleibt er daheim, liegt starr und still 
in seinem Bette oder sitzt auf dem Felsen, und die Waldtiere treten 
ihn mit Füßen, ohne daß er sich regt. Aber wenn der Schnee geht, 
und der Frühling kommt, und die Drosseln und Finken wieder heim— 
kehren zu ihren Thüringer Nestern, da spricht der Bursche: „Nun 
fang' ich wieder an zu wandern,“ und nun geht's mit Ungestüm und 
Brausen den Berg hinab, manchen Stein reißt er los, so stark stößt 
sein Fuß an. Da ist sein Weg ihm nicht breit genug, und er tritt 
dem Bauern in die Wiese und fürchtet sich nicht vor dem Pfänder, 
und: „Wollt ihr mit?“ sagt er zu den Bäumen; „jetzt eben habe ich 
Lust und bin so stark, daß ich euch mit hinaustragen kann in 
die Welt.“ 
Die alten Tannen und Fichten aber nicken, und die bereit sind 
zur Reise, die haut der Holzhacker bei der Wurzel ab und legt sie dem 
Wanderer auf den Rücken; der schleppt sie fort, durchs weite deutsche 
Land, manchmal bis ans Meer. Noch ist keiner wieder heimgekehrt. 
Weißt du, wer der Wanderer ist? — Das Wasser, welches aus 
den Gebirgen quillt, ist der Wanderer, denn in großen Flößen gehen 
die Thüringer Waldbäume auf der Ilm, auf der Saale und Schwarza 
nach der Elbe zu, auf der Werra und Schleuße in die Weser, auf 
der Steinach, Kronach und Radach in den Main. Von dem Main 
fahren sie zum Teil in den Rhein, und die stärksten gehen wohl noch
	        
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