fullscreen: Handbuch der deutschen Geschichte (3)

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c) Die deutschen Bischöfe standen anfangs fast alle auf Seiten des Kaisers, 
denn bei einer strengen Durchführung der päpstlichen Forderungen hätten viele 
auf ihre reichen Einkünfte verzichten müssen (Vergl. S. 88). Erst allmählich 
wurden sie durch die Festigkeit des Papstes besiegt. 
Heinrichs Zug nach Kanossa schildert ein gleichzeitiger Geschichtsschreiber 
also: Sieben Tage schon hatten die versammelten Fürsten zu Tribur Rates ge¬ 
pflegt, wie dem Schiffbruch drohenden Staate abzuhelfen sei, dessen König mit 
dem päpstlichen Banne belastet war, und den meisten schien es das beste, daß 
Heinrich abgesetzt und ein anderer König gewählt werde. 
Da sandte dieser, der zu Oppenheim mit seinen Anhängern lagerte, 
ängstlich häufige Botschafter und versprach in Zukunft Besserung alles desjenigen, 
was ihnen anstößig gewesen war, und Nachgiebigkeit in allen Regierungssachen, so¬ 
weit es die königliche Ehre zuließe. Aber jene Blieben standhaft bei ihrem 
Vorsatz: „Denn schon oft habe er Besserung seines Wandels versprochen, vor 
den Augen des allsehenden Gottes aufs heiligste gelobt und dennoch alle Bande, 
womit er sich verpflichtet, sobald die eben drängende Not vorüber war, gleich 
Spinnweben zerrissen". Endlich als alle in sorgenvoller Erwartung des Aus¬ 
gangs waren und viele fürchteten, daß es zur blutigen Entscheidung der Waffen 
kommen würde, sandten die Schwaben und die Sachsen Gesandte an den König 
mit folgendem Vorschlag: „Obgleich alle Beschuldigungen sonnenklar erwiesen 
seien, wollten sie doch die Entscheidung ablehnen und sie dem Papste überlassen, 
den sie sofort bitten würden, nach Augsburg zu kommen, um in offener Reichs¬ 
versammlung sein Urteil zu fällen- Bis dahin solle er sich nach Entlassung 
seines Heeres und seiner Umgebung der Ausübung königlicher Reckte völlig 
enthalten und in aller Zurückgezogenheit in Speier leben". Der König, dem 
schon jede Hoffnung, den Thron zu behaupten, geschwunden war, pries sich 
glücklich, daß er unter irgend einer, wenn auch noch so schmählichen Bedingung, 
der augenblicklich drohenden Gefahr entgangen war und nahm diesen Vorschlag 
an, worauf die Gesandten freudig und frohlockend heimkehrten, um sofort die 
Botschaft und Einladung an den Papst ergehen zu taffen. 
Als der König darauf seine Lage überdachte, schien es ihm keineswegs 
geraten, die Ankunft des römischen Bischofs in Augsburg zu erwarten, und 
seine Sache einem so feindlichen Richter und so hartnäckigen Anklägern zur 
Aburteilung anheim zu stellen. Deshalb faßte er ebenso schnell als heimlich 
den Entschluß, dem Papste entgegenzureisen und von ihm, noch ehe er Italien 
verließe, Lossprechung vom Banne zu erlangen. 
So zog er denn wenige Tage vor Weihnachten aus der Stadt Speier 
weg und trat mit seiner Gemahlin und seinem kleinen Sohne die Reise an. 
Kein freier Mann unter allen Deutschen begleitete ihn, bis auf einen einzigen, 
und auch dieser war weder durch Abkunft noch durch Macht bedeutend. 
Dazu war die Heftigkeit und Rauheit des Winters in diesem Jahre so un¬ 
gewöhnlich, daß von dem Feste des heiligen Martin an der Rheinstrom, durch eisigen 
Frost gebunden, fast bis zum April für Fußgänger gangbar blieb, und an den 
meisten Orten die Weinreben bis an die Wurzeln erstarrten und zu Grunde gingen. 
Nachdem der König zu Besan^on, in Burgund, wo ihn Graf Wilhelm, sein 
Verwandter, freundlich ausgenommen, das Weihnachtsfest gefeiert hatte, reiste 
er weiter und kam bald an den Ort, der Einis (Mont Cenis) heißt. Es war
	        
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