Full text: [Theil 2 = Mittelstufe, [Schülerband]] (Theil 2 = Mittelstufe, [Schülerband])

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dem Wege!“ rief der eine „Ei, so fahre du mir aus dem Wege!“ schrie 
der andere. „Ich will nicht,“ sagte der eine; „und ich brauche es nicht! 
sagte der andere, und weil keiner nachgab, kam es zu heftigem Zank und 
Scheltworten. 
„Höre du,“ sagte endlich der erste, jetzt frage ich dich zum letzten Male, 
willst du mir aus dem Wege fahren oder nicht? Thust du's nicht, so mache 
ich's mit dir, wie ich's heute schon mit einem gemacht habe.“ — Das schien 
dem anderen doch eine bedenkliche Drohung.“ „Num“ sagte er, o hilf mir 
wenigstens deinen Wagen ein wenig beiseil schieben, ich habe ja sonst nicht 
Platz, um mit dem meinigen auszuweichen.“ Das ließ sich der erste gefallen, 10 
und in wenig Minuten war die Ursache des Streites beseitigt. 
Ehe sie schieden, faßte sich der, welcher aus dem Wege gefahren war, 
noch einmal ein Herz und sagie zu dem andern; „Höre, du drohtest doch, 
du wolltest es mit mir machen, wie du es heute schon mit einem gemacht 
hättest; sage mir doch, wie hast du es mit dem gemachte — „Ja, denke is 
dir,“ sagte der andere, „der Grobian wollte mir nicht aus dem Wege fahren, 
da — fuhr ich ihm aus dem Wege!“ 
256. Dienertreue. 
Caspari. 
Ein reicher Herr in Polen fuhr zur Winterzeit in einem Schlitten nach 
dem Städtlein Ostrowo, nur von seinem Knechte Jakob begleitet, der dem 
Schlitten vorreiten mußte. Ehe sie die Stadt erreichten, mußten sie zuvor 20 
durch einen langen, einsamen Wald, und es war bereins Abend. Der Knecht 
schlug daher dem Herrn vor, in einer Herberge, die am Eingange des Waldes 
lag, zu übernachten; denn im Walde seien viele Wölfe, und die Unthiere 
seien gar grimmig wegen des harten Winters. Der Herr war aber einer 
von den wunderlichen, von denen, die einen guten Rath, wenn er von einem 25 
Qnechte kommt, nicht annehmen mögen. Er fuhr ihn an und schrie, er werde 
wohl des Reitens überdrüssig sein; aber er werde nichts darnach fragen; sie 
müßten noch nach Ostrowo, es möge gehen, wie es wolle. Und so ging's vor— 
wärts, was die Pferde laufen kounten. 
Kaum aber sind sie eine Strecke im Walde, so hört der Herr hinter s0 
sich ein lautes Heulen, und als er sich umwendet, sieht er die Wölfe in 
Rudeln hinter dem Schlitten daherjagen und die vordersten schon ganz nahe. 
„Jakob, Jakobl!“ ruft er, „die Wolfe, die Wölfe!“ Der teue Jakob er 
widert kein Wort, sondern läßt ruhig den Herrn vorausfahren, reitet zwischen 
den Schlitten und die Wölfe, zieht seine Pistolen und schießt von Zeit zu Zeit s 
unter sie. Damit schreckt er eine Weile die Bestien. Endlich aber hat er kein 
Pulver mehr, und als sie nun an den Schlitten heranstürzen, sagt er: „Herr, 
ich muß meinen armen Braunen opfern und sehen, daß ich zu euch auf den 
Schlitten komme, sonst ist alles verloren. — „Thue, wie du willst,“ sagte 
der Herr, und im Augenblick war der Jakob vom Pferde und auf den a0 
Schlitten gesprungen, hielt sein Pferd am Zaume fest, bis die Wölfe heram 
kamen, dann überließ er's ihnen zur Beuts. Es schien, als solllen sie da— 
durch einen Vorsprung gewinnen; aber nicht lange, so war ein Theil der 
Wölfe wieder heulend hinter ihnen her, und einige schickten sich an, in den
	        
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