Full text: [Theil 2 = Mittelstufe, [Schülerband]] (Theil 2 = Mittelstufe, [Schülerband])

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4. Und eh' der dritte Ruf erschallt, 
da ist er an den Stein geprallt; 
das Rößlein liegt und steht nicht auf, 
geendet ist des Herren Lauf. 
Er spricht nicht mehr: Roß hin, Roß 
her! 
Er rafft sich auf und schreitet schwer 
mit seinem Knecht einher. 
58. Mexander der Grosse als Lnabe. 
Grube. 
Einst wurde dem Vater Alexanders des Groben ein prächtiges, 
aber sehr wildes Streitrob, Bukephalos genannt, für den ungeheuren 
Preis von dreizehn Talenten (30000 Mark) angeboten. Die besten 
Reiter versuchten ihre Kunst an demselben, aber keinen lieb es auf- 
sitzen. Der Rönig befahl, das Thier wieder vegzuführen, da es doch 
kein Menseh gebrauchen könne. Da bat Alexander, dab man ihn 10 
noch einen Versuch machen liebe. Mit stolzer Zuversieht näherte 
er sieh dem Pferde, griff es beim Zügel und führte es gegen die 
Sonne. Denn er Latte bemerkt, daß es vor seinem Schatten sich 
scheute. Dann streichelte und liebkoste er es und lieb heimlieh seinen 
Mantel fallen. Ein Sprung jetzt, und der Jüngling sitzt oben. Pfeil-6 
schnell fliegt mit ihm das Mörd dahin. Philipp und alle Umstehenden 
zaittern für das Leben des Kühnen. MWie er aber froblockend umlenkt 
und das Roß bald rechts, bald links so ganz nach Willkür tummelt, 
als sei es das zahmste Dhier von der Welt, da erstaunen alle. Plhi- 
lipp weint vor Freuden und umarmt Alexandern mit den Worten: » 
„Mein Sohn, suche dir ein anderes Königreich, Macedonien ist zu 
Lein für dchl“ 
59. Der Esel und die drei Herren. 
Niceolai. 
Ein alter Bauer wollte sterben, 
drei Söhne standen um ihn her. 
„Ach, arme Kinder“, seufzet er, 
ich hinterlass' euch nichts zu erben 
als einen Esel; 
und mein ganzes Testament 
ist dies: Besitzt ihn ungetrennt! 
Dem dien' er heute, jenem morgen; 
und wer ihn braucht, mag ihn versorgen!“ 
Der Vater stirbt; der Ältste muß 
den Esel wohl am ersten haben. 
Von früh bis in die Nacht 
läßt er den Schimmel traben; 
an Futter nichts, an Schlägen Überfluß. 
„Mein Bruder,“ denkt er, „hat ihn 
morgen zu ernähren; 
heut' kann er wohl die Lust entbehren.“ 
Der zweite holt den matten Gaul 
und überladet ihn mit Säcken. 
Ha, hal das Schmausen macht dich faul; 
du ließ'st es dir beim Bruder schmecken.“ 
Der Esel keucht mit dürrem Gaum 
und schleppt sich bis zum Stalle kaum. 
Beim dritten Sohn die alte Plage: 
„Es giebt nicht lauter Feiertage; 
ein wenig Fasten ist gesund; 
ich merke schon, du wirst zu rund!“ 
Der Esel fällt vor Schwäche nieder, 
schnappt noch zum letzten Mal 
und regt sich niemals wieder. 
Nun theilt euch in die Haut, ihr 
Brüder!
	        
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