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60. Seltsamer Spazierritt.
Hebel.
Ein Mann reitet auf einem Esel nach Haus und läßt seinen Buben
zu Fuß neben her laufen. Kommt ein Wanderer und sagt: „Das ist nicht
Lecht, Vater, daß ihr reitet und laßt euern Sohn laufen; ihr habt doch
starkere Glieder.“ Da stieg der Vater vom Esel herab und ließ den Sohn
len Kommt wieder ein Wandersmann und saägt: „Das ist nicht recht,
Bursche, daß du reitest und lässest deinen Vater zu Fuß gehen, du hast
jüngere Beine.“ Da saßen beide auf und ritten eine Strecke Kommt ein
ier Wandersmann und sagt: „Was ist das für ein Unverstand, zwei
Kerle auf einem schwachen Thiere! Sollte man nicht einen Stock nehmen und
io euch beide hinabjagen?“ Da stiegen beide ab und gingen zu Fuß, rechts
der Vater, links der Sohn und in der Mitte der Esel. Kommt ein vierter
Wandersmann und sagt: „Ihr seid drei kuriose) Gesellen. Ist's nicht
genug, wenn zwei von euch zu Fuß gehen? Geht's nicht leichter, wenn
ner von euch reitet?“ Da band der Vater dem Esel die vorderen Beine
zusammen, und der Sohn band ihm die hinteren Beine zusammen, zogen
einen starken Baumpfahl durch, der an der Straße stand, und trugen den
Esel auf der Achsel heim.
So weit kann's kommen, wenn man es allen Leuten recht machen will.
61. Eile mit Weile.
v. Schmid.
Ein Fuhrmann fuhr abends mit einem geladenen Wagen in größter
o Eile der Stadt zu. „Komm' ich noch vor Thorsperre in die Stadt?“ rief
er einem Reisenden zu, an dem er vorbei jagte.
„O ja,“ sagte der Reisende, „wenn ihr langsamer fahrt.“
Der Fuhrmann dachte: „Der Mensch ist nicht gescheidt peitschte auf
seine Pferde los und fuhr noch schneller auf der holprigen Straße, so daß
Pferde und Räder rauchten. Plotzlich brach ihm ein Rad, der Wagen fiel
um, und Kisten und Fässer lagen auf der Straße und im Graben. Der
Reisende holie den Fuhrmann bald ein und sprach „Seht ihr nun, daß ich
recht hatte? Ich komme zu Fuß noch wohl in die Stadt, ihr aber mit euren
vier Pferden könnt sie heute nicht mehr erreichen. Ihr dachtet mit eurem
o Eilen einige Kreuzer Sperrgeld?) zu ersparen und habt nun einen Schaden
von mehreren Gulden.“
62. Ochs und Esel.
Pfeffel.
Ochs und Esel zankten sich
beim Spaziergang um die Wette,
wer am meisten Weisheit hätte.
Keiner siegte, keiner wich.
Endlich kam man überein,
daß der Löwe, wenn er wollte,
diesen Streit entscheiden sollte,
und was konnte klüger sein?
) turiose — wunderliche.
EShertaeld wird für den Einlaß in ein bereits gesperrtes Thor entrichtet.