114. Der Wolf und das Geigerlein.
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Leuten bis tief in die Nacht aufgegeigt hattô. Das
Mannlein ging ohnehin nicht gern auf dem geraden
Wege und kam daher aueh in dem dicken Porste,
dureh den es mulste, bald so weit zur Seite ab, dals
es am Ende in eine Grube fiel, velehe der Jäger zum
Wolfsfange gegraben hatte.
Der Schreck war schon gross genug für den
Geiger, da er so ohne weiters von der ebenen Erde
hinunter in die Tiefe fubr, wurde aber noch grölser,
als er unten auf etwas Lebendiges fiel, das wild auf-
sprang, und da er merkte, dass es ein Woll sei, der
ihn mit glühenden Augen ansah. Der Mann hatte
nichts in der Hand als eine Geige, und in der Angst
fangt er an, da vor dem geöffneten Wollsrachen seine
Stũekloin aufzugeigen, die ihm jedoch diesmal selber
gar nicht lustig vorkamen. Dem Wolfe mulste aber
diess Musik ganz besonders schön und rührend vor—
kommen; denn das dumme Vieh fing an, überlaut zu
heulen, was wobl gesungen heissen sollte. Die andern
Wõlfe draussen im Walde, da sie ihren Kameraden
drinnen in der Grube so singen hörten, stimmten
aueh mit ein, und ibr Geheul Kam manchmal so nabe,
dass das Geigerlein, an welehem kaum ein einziger
Wolf satt geworden ware, geschweige zwei, jeden
Augenblick fürchten musste, es käme noch ein anderet,
auch wobl noch ein dritter und vierter Gast zu
seinem bisschen Pleisch in dié Grube herein.
Unser Kapellmeister in der Grube guekte indes
einmal übers anderemal in die Höhe, ob's noch nicht
Tag werden wollte; denn das Geigen war ihbmn sein
Lebtag noch nicht so lang geworden und so gan⸗
sauer und niederträchtig vorgekommen, als da vor
dem Wolfo, und er bätte lieber Holz dafür hacken
wollen, zwanzig Jahre lang alle Mochentago.
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Lesebuck für Mittelllassen.