Full text: Haus und Vaterland (Band 2, [Schülerband])

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9. Da blickt Herr Heinrich tief bewegt 
hinauf zum Himmelszelt: 
„Du gabst mir einen guten Fangl — 
Herr Gott, wie dir's gefällt!“ Joh. Nepomuk Vogl. 
6. Laiser Otto L. 
1. Zu Quedlinburg im Dome ertönet Glockenklang, 
der Orgel Stimmen brausen zum ernsten Chorgesang; 
eês sitzt der Kaiser drinnen mit seiner Rittermacht, 
voll Andacht zu begehen die heilge Weihenacht. 
2. Hoch ragt er in dem Rreise mit männlicher Gestalt, 
das Auge scharf wie Blitze, von goldnem Haar umwallt; 
man hat ihn nicht zum Scherze den Löwen nur genannt, 
schon mancher hat empfunden die löwenstarke Hand. 
3. Molll ist auch jetzt vom Siege er wieder heimgekebrt, 
doch nicht des Reiches Peinden hat mächtig er gewehbrt; 
es ist der eigne Bruder, den seine Nasffe sehlug, 
der dreimal der Empörung blutrotes Banner trug. 
4. Jetzt schweift er durch die Lande, geächtet, flüchtig hin, 
das will dem edlen Kaiser gar schmerzlich in den Sinn; 
er hat die schlimme Pebde oft bitter schon beweint: 
„O Heinrich, du mein Bruder, was bist du mir so feind!“ 
5. Zu Quedlinburg im Dome ertönt die Nitternacht, 
vom Priester wird das Opfer der Uesse dargebracht; 
es beugen sich die Kniee, es beugt sich jedes Herz, 
Gebet in heil'ger Stunde steigt brünstig himmelwärts. 
6. Da öffnen sich die Pforten, es tritt ein Uann herein, 
es hũllt die starken Glieder ein Büsserhemde ein — 
er schreitet auf den Kaiser, er wirft sich vor ihm hin, 
die Knie er ihm umfasset mit tiefgebeugtem dinn. 
7. „O Bruder, meine Peble, sie lasten schwer auf mir; 
hier lege ich zu Fülsen, Verzeihung flebend, dir! 
Was ich mit Blut gesündigt, die Gnade macht es rein; 
vergieb, o strenger Raiser, vergieb, du Bruder mein!“ 
8. Doch strenge blickt deèr Kaiser den sündgen Bruder an: 
Zweimal hab' ich vergeben, nicht fürder mehr fortan! 
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