Full text: Haus und Vaterland (Band 2, [Schülerband])

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Bade auftauchte, scheint freilich keinen Sturm zu künden; aber so oft 
er sich dem geraden, deutschen Antlitz des Königs genaht, läßt er 
darauf Spuren der unmutigen Bewegung zurück. 
Immer rücksichtsloser wird die aus Paris ertönende Sprache, 
in so schöne Redensarten sie auch der gewandte Botschafter zu 
kleiden weiß; immer weiter gehen die Forderungen, mit denen man 
den friedlichen Fürsten stört. 
Vom Spaziergange zurückgekehrt, ging der König in seinem Ge— 
mache erregt mit großen Schritten auf und ab. Vor seiner Seele 
lebten die Erinnerungen der alten Zeit wieder auf. Dreiundsechzig 
Jahre zurück — 1807 am 1. Januar war der zehnjährige Prinz 
Wilhelm ins Heer getreten, als seine Familie mit ihm flüchtig in 
Königsberg geweilt. Wenig fehlte damals, und der übermütige Korse 
hätte das Wort gesprochen: „Das Haus Hohenzollern hat aufgehört 
zu regieren!“ Aber auf die Zeiten der Schmach war die Erhebung 
gefolgt; 1813 1814 — als kaum siebzehnjähriger Jüngling war der 
jetzt ergraute Mann damals an der Seite seines Vaters mit nach 
Paris gezogen. Und jetzt — sollten die alten Zeiten sich erneuern? 
Lange sinnend hatte der König so verweilt — jetzt richtete er 
das Haupt still und langsam empor. „Gott, du bist mein Zeuge,“ 
ruft er, „daß ich den Krieg nicht will; wenn sie mich aber dazu aufs 
neue zwingen, dann werde ich ihnen zeigen, daß auch der dreiund— 
siebzigjährige Mann noch vermag, was einst der siebzehnjährige Jüng— 
ling vollbracht!“ 
Es klopft an die Thür. Der eintretende Adjutant erbittet für 
Graf Benedetti eine Unterredung. 
„Sagen Sie dem Grafen, ich hätte ihm nichts weiter mitzuteilen,“ 
erwiderte der König mit ruhiger Stimme. 
Gleich darauf wird Frankreichs Gesandter aus den Vorgemächern 
des Monarchen gebührend hinauskomplimentiert.— 
Der 15. Juli war angebrochen. Kurgäste und Emser Einwohner 
standen zahlreich um das Kurhaus versammelt. Da erschien der 
König, zur Reise in die Residenz gerüstet. Ein begeistertes, nicht 
endenwollendes Hochrufen begrüßt ihn; Blumen bedecken seinen Weg. 
Er erwidert, Thränen der Rührung in den Augen, einige Worte und 
ruft den Versammelten zu: Auf Wiedersehen! Auf Wiedersehen!“ 
Der Wagen führt ihn fort bis zum Bahnhofe. Auch dort ein drei— 
faches Hoch, und fort braust der Zug.
	        
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