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Bollmond. Nach acht Tagen aber ist nur noch die Hälfte der Mond⸗
scheibe beleuchtet. Das nennt man sein letztes Viertel. Nach weiteren
acht Tagen ist der Mond gar nicht mehr am Himmel sichtbar. Das ist
die Zeit des Neumondes. Von jetzt an nimmt er wieder zu, wie man
zu sagen pflegt, und nach abermals acht Tagen erscheint er als erstes
Viertel. Nach Verlauf einer Woche haben wir dann wieder Voll—
mond. Im ersten und letzten Viertel hat der Mond die Gestalt einer
Sichel.
Die Sterne scheinen klein zu sein, aber der Schein trügt. In
weiter Ferne scheint alles kleiner, als es wirklich ist. Wie viele Sterne
am Himmel sind, weiß nur der liebe Gott. Auch wie hoch und weit der
Himmel ist, kann niemand sagen und ausmessen.
Der Himmel scheint ein großes Gewölbe zu sein und heißt des—
wegen Himmelsgewölbe. So weit wir den Himmel und die Erde sehen,
so weit geht unser Gesichtskreis. Bald ist die Sonne über dem Ge—
sichtskreise, bald unter demselben. Am Morgen geht sie im Osten
auf und am Abende im Westen unter. Vom Morgen bis zum Abende
sehen wir die Sonne einen Bogen beschreiben. Aber wenn der Himmel
ganz mit dunklen Wolken bedeckt ist, ist sie auch während des Tages
nicht sichtbar. — Nach dem Untergange leuchtet sie anderen Ländern.
Die Sonne geht nicht zur Ruhe wie wir. Wenn sie andere Länder
und Völker mit Licht und Wärme erfreut hat, steigt sie von Morgen
her wieder herauf. In aller Stille kommt sie wieder. Sie macht kein
Geräusch, indem sie Gutes thut. Immer freudig wandelt sie den
Weg, den Gott sie gehen heißt.
Als ob die Berge und Wolken sie sähen und sich ihrer freuten,
verkündigen sie ihre Ankunft und schmücken sich zu ihrem Empfange mit
Morgenrot und bei ihrem Untergange, als ob sie danken wollten, mit
Abendrot.
Wenn die Sonne untergegangen ist, werden der Mond und die
Sterne sichtbar. Sie sind Tag und Nacht am Himmel; aber am Tage
macht das helle Licht der Sonne, daß man sie nicht sehen kann. Nach
dem Untergange der Sonne sieht man ihrer immer mehr, bis der ganze
Himmel wie besäet ist. Unter ihnen ist der Mond. Der Mond und
die Sterne wandeln den Weg, welchen Gott ihnen vorgezeichnet hat.
Der ganze Himmel erscheint in der Nacht wie eine große, große
Wiese, auf welcher goldene Schäflein weiden, und der schöne Mond
mit seinem Silberhorne wie der Hirt. Er ist bald hier, bald dort, wie
ein Schäfer, der seine Herde überall begleitet und bewacht.
Nach Heinrichs Lesebuche.
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