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49. wie schön leuchtet der Morgenstern!
Ihr alle habt vom siebenjährigen Kriege gehört. Ihr wißt auch,
baß Schlesien, die Mark und das Sachsenland ganz besonders durch
ihn arg heimgesucht wurden. In vielen Dörfern gab es weder Pferd
noch Kuh, weder Milch noch Brot mehr. Die Häuser lagen zum Teile
niedergebrannt, und in denen, die noch standen, hatte man weder Ruhe
noch Schlaf.
Eben hatte ein armer Schulmeister in Schlesien solch eine schlaflose
Nacht verbracht und der armen Gemeinde das Glöckchen zum himm¬
lischen Morgengruße in ihrer Betrübnis geläutet; da stürmte ein schwarzer
preußischer Husar, mehr Greis als Mann, an das Haus, band sein
Pferd an den Fensterladen und forderte die Kirchenschlüssel.
Der Schulmeister und sein Weib, beides treue, fromme Leute,
dachten, der Besuch gelte dem silbernen Kelche und den Tressen, die noch
um das Altartuch waren. Mit bangem Herzen und schweren Füßen stiegen
sie mit dem Kriegsmanne über den Friedhof weg hinauf zur Kirche.
Als sie aber hineinkamen, schritt der Husar, so schnell es sein Alter-
erlaubte, die Chortreppe hinauf, setzte sich auf eine Bank und befahl dem
Schulmeister: „Mach' Er die Orgel auf und geb' Er mir ein Gesang¬
buch!" Der Schulmeister gehorchte. Der Husar schlug sein Buch aus
und befahl weiter, aber in milderem Tone: „Wie schön leuchtet der
Morgenstern! Spiel' Er das, lieber Schulmeister, aber so recht fein
und ordentlich; Er versteht mich wohl!" Das Weib trat die Bälge, der
Schulmeister spielte, und der Husar sang mit tiefer Baßstimme. Der
Schulmeister und seine Frau hinter der Orgel fielen auch mit ein. Und
so sangen die drei das ganze Lied. Der Husar aber sang so aus
Herzensgründe, daß sich unwillkürlich dazu seine Hände falteten und die
hellen Thränen ihm auf seinen grauen Knebelbart fielen.
Als er fertig war, schüttelte er dem Orgelspieler treuherzig die
Hand und sagte: „Großen Dank, Herr Kantor! Wo ist der Gottes¬
kasten?" Dem Schulmeister war aller Argwohn verschwunden. Er¬
holte die Armenbüchse. Der Husar steckte ein Achtgroschenstück hinein.
Dann zog er noch zwei aus der Tasche und sagte: „Darein wollen wir
uns teilen; nehme Er eins, und eins will ich behalten." Der Kantor
schlug es aus; aber der Husar drängte so ungestüm, daß keine Weigerung
half. „Nehm' Er, nehm' Er! es klebt kein Blut daran." Darauf er¬
zählte er dem Schulmeister, er habe in dieser Nacht mit seinen drei
Söhnen auf einem verlorenen Posten gestanden. Ihm sei in der Gefahr
bange geworden, nicht um sich, wohl aber um seine Jungen. Da habe
er zum Herrn empor geseufzt: „Herr, erhalte uns!" Kaum habe er
bies herausgehabt, da sei die Dämmerung am Morgenhimmel herauf¬
gezogen, und der Morgenstern habe ihm in die Augen geblitzt. Plötzlich
Lesebuch für höhere Lehranstalten II. 10