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„Gerade so geht es mir doch auch mit meinen armen Rindern,“ 
entgegnete Erau Otto, „und ich muls sie sorggam hüten. Ja, wenn 
gie auch so kräftig wären, wie die Ihrigen es sind, so dürfte ich es 
auch wohbl anders mit ihnen halten. Doch da ist unser ältester, der 
Fritz, er hat schon zweimal Langenentzündung gehabt; die Emma 
liegt jetzt wieder an einer schmerzhaften Brustkrankheit. Karl und 
Hanuieh haben hässlichen Musschlag. Scharlach, Masern und Eriesel 
haben alle vier gemeinsam gehabt. Im VWinter hatten sie gastrisch 
(richtiger hiesse dies wohl garstig) Fieber. Rurz, sie ssind fast immer 
krank, und weleche Angst habe ich vor Diphtheritis, diesem Würg- 
engel der Rleinen!“ 
2. „Und doch,“ sagte Frau Ernst, „ging's uns gerade s0. Alle 
die Kranicheiten, ja, mehr dazu, waren bei uns zu Hause, doch hören 
die nur: Als ich vor jetzt vier Jahren meine liebselige Mutter pflegen 
musste, liess ich meinen Mann, eine alte Magd und fünf kränkliche 
Linder im Alter von 8 bis 11 Jahren in grösster Sorge daheim. Mein 
Aufenthalt verzogerte sich von Woche zu Woche, da mich die MNutter 
durchaus nicht von sich lassen wollte, bis ich ihr dann die müden 
Augen zugedrückt hatte. Nach der Beerdigung kam ich, ganz elend 
und kranß von Nachtwachen und all den Aufregungen, daheim wieder 
n. Der Arzt schickte mich ins Bad, und endlich nach fast einem 
halben Jahre war ich genesen. Aber wie habe ich mich damals über 
meine Kinder gewundert und gefreut! Ich fand diese, wie ich sie 
früher nie gekannt hatte, so gesund und rothackig. 
3. Mein Mann hatte das gerade Gegenteil von dem gethan, was 
ich bisher geübt. Hatte ich nur ganz warmes Wasser zum Baden 
verwendet, so platschten die Kleinen jetzt in frisch Kaltem Wasser 
fröhblich umher; gtatt der Doppelkleider trugen sie einfaches Zeug, doch 
ane Schube mit dicken Soblen darunter mussten sis anziehen. Die 
holen Absuitze derselben waren fort, die dicken Betten lagen auf dem 
gpeicher, nachts schliefen alle unter einfachen Decken. Norgens, nach⸗ 
Im sie wieder Kalt gewaschen waren, gab's Hafergrütze und Milch, 
dazu Brot, und glauben Sie, wie das schmeckte! Nittags kam Ge 
müse und Obst auf den Tisch, abends wieder Milebsuppe. Die Stube 
art seitdem niemals zu warm geheizt werden, dafür haben wir ein 
Phermometerx, welches unser kleiner Otto schon so gut kennt, dalss er 
den Ofen verschliesst und die Penster öffnet, wenn es ja einmal bis 
auf 16 Grad R. steigen sollte. Ausser den Mahlzeiten dürfen die 
Riuder nieht essen, und täglich, ist's warm oder Kalt, müssen sie mit 
hlosssem Halse, ohne Kopfbedeckung, mit blossen Armen, wie die sie 
ben haben nach dem LRise laufen sehen, an die frische Luft. Well 
Fie nun bei dieser Lebensweise so friseh, fröhlich und gesund ge— 
wWorden sind, so hätte ich doch damals sehr, sehr thöricht sein müssen,
	        
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