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eines Centurio hinaufgestiegen. Diesen Mann schickten sie mit einem
Haufen, zum Meuchelmord gedungener Soldaten aus. Als diese mit
ihm in einen Hohlweg kamen, stürzten sie über ihn her, und nachdem
er mehrere von ihnen niedergehauen hatte, ermordeten sie ihn, und
gaben dann vor, sie wären von Feinden überfallen, und dabei ihr
braver Hauptmann getödtet worden. Das Heer beklagte den Verlust
des wackern Mannes; aber die That wurde bald ruchbar; jeder be-
zeichnete die Zehnmänner als Mörder des Siccius.
Eine andereSchandthat war noch empörender. Appius Clau¬
dius hatte die sechzehnjährige Virginia, Tochter eines geachteten
Plebejers, des Virginius, gesehen, und begehrte sie zu besitzen. Aber
sie war bereits mit einem jungen und angesehenen Plebejer, Jcilius,
verlobt, und Appius wurde also zurückgewiesen. Dies war dem stol¬
zen Appius unerträglich, und er verabredete daher mit einem nichts¬
würdigen Menschen, Namens Claudius, einen Plan, sie zu entführen.
Claudius mußte sie, als sie einst über die Straße ging, vor den Rich¬
terstuhl des Appius führen, und vorgeben, daß sie die Tochter einer
seiner Sclavinnen, und als Kind vom Virginius ihm geraubt sey.
Alle Umstehende bedauerten das arme. verlassene Mädchen; denn der
Vater war im Lager; aber Niemand wagte sie zu retten, aus Furcht
vor den umherstehenden Lictoren. Da kam Jcilius herbeigestürzt, und
bewirkte wenigstens, daß sie für den Augenblick losgegeben, und eine
neue Untersuchung für den folgenden Tag angesetzt wurde. „Ist aber
Virginius morgen nicht zur Stelle," setzte Appius hinzu, „so fällt sie
dem Claudius anheim; dafür werden schon die Gerichtsdiener sorgen."
Er schickte aber einen Boten ins Lager, und ließ den andern Zehn¬
männern sagen, dem Virginius keinen Urlaub zu gestatten. Aber als
dieser Bote hinauskam, war Virginius bereits aus dem Wege nach
der Stadt; denn die Brüder des Jcilius waren schneller gewesen, und
hatten ihm den Vorgang gemeldet. Am andern Tage erschieneu Vir¬
ginius, seine Tochter, ihr Verlobter und eine Menge Volks auf dem
Markte vor dem Richterstuhle des Appius, der von zahlreichen Ge¬
richtsdienern umgeben war. Ohne auf den durch Zeugen verstärkten
Beweis des Virginius, daß seine Tochter kein untergeschobenes Kind
sey, zu achten, sprach er sie dem Claudius zu, und die Gerichtsdiener
trieben das dichtgedrängte Volk aus einander. Da der Vater nun
sah, daß er sein Kind den Händen des Appius nicht mehr entreißen
könnte, faßte er einen schnellen Entschluß. Er bat um die Erlaubniß,
mit ihr noch einige Worte insgeheim zu sprechen, führte sie seitwärts,
wo Fleischerbänke standen, ergriff plötzlich ein Fleischermesser, und stach
es der Tochter durchs Herz, indem er sprach: „sieh, mein liebes Kind,
dies ist das einzige Mittel, deine Ehre und Freiheit zu retten." Die
Tochter sank todt zu Boden, Virginius aber hob das blutige Messer