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2. Du bist ein deutsches Kind, so denke dran.
Noch bist du jung, noch ist es nicht so schwer,
aus einem RKnaben aber wird ein Mann;
das Bäumchen biegt sich, doch der Baum nicht mehr.
3. Sprich Ja und Nein, und dreh und deutle nicht;
was du berichtest, sage kurz und schlicht,
was du gelobest, sei dir höchste Pflicht,
dein Wort sei heilig, drum verschwend es nicht!
4. Leicht schleicht die Lüge sich ans Herz heran,
zuerst ein Zwerg, ein Kiese hintennach;
doch dein Gewissen zeigt den Feind dir an,
und eine Stimme ruft in dir: „Sei wach!“
5. Dann wach und kämpf, es ist ein Feind bereit:
Die Lüg in dir, sie drohet dir Gefahr.
Kind! Deutsche kämpften tapfer allezeit,
du deutsches Kind, sei tapfer, treu und wahr!
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28. Der kluge Riehter.
Johann Peter Hebel.
ssSämtliche poetische Werke. herausgegeben von Ernst Reller. Leipzig 1908. 3. Band. S..
Ein reicher Mann hatte eine beträchtliche Geldsumme, die in ein
Tuch eingenäht war, aus Unvorsichtigkeit verloren. Er machte
daher seinen Verlust bekannt und bot, wie man zu tun pflegt, dem
ehrlichen Finder eine Belohnung und zwar von hundert Talern an.
Da kam bald ein guter und ehrlicher Mann dahergegangen.
„Dein Geld habe ich gefunden. Dies wird's wohl sein! So nimm
dein Eigentum zurück!“ So sprach er mit dem heitern Blicke eines
ehrlichen Mannes und eines guten Gewissens, und das war schön.
Der andre machte auch ein fröhliches Gesicht, aber nur, weil er sein
verloren geglaubtes Geld wieder hatte; denn wie es um seine Ehrlich—
keit aussah, das wird sich bald zeigen. Er zählte das Geld und
dachte unterdessen geschwind nach, wie er den treuen Finder um die
versprochene Belohnung bringen könnte. „Guter Freund“, sprach er
hierauf, „es waren eigentlich achthundert Taler in dem CTuche einge—
näht. Ich finde aber nur noch siebenhundert Taler. Ihr werdet