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90. Die Heide.
Das Heidekraut mit seinen rosenroten Blütlein und dicht an—
einander gedrängten ungestielten Blättlein, die am Stengel herauf
vier Reihen bilden, ist durch ganz Deutschland gar überaus häufig
in Wäldern und auf Heiden, dient dem Vieh zur Streu, den
Schafen in manchen weidearmen Ländern zum Futter und giebt den
Bienen viele Nahrung in seinen Blüten; daher auch da, wo viel
Heidekraut wächst, die meiste Bienenzucht und der meiste Honig ist.
Von dem Samen nährt sich im Winter mancher kleine Vogel, und
man sagt, daß in solchen Jahren, wo ein recht strenger Winter
eintritt, das Heidekraut vorher immer ganz ungewöhnlich häufig
blühe und Samen ansetze. So wird auch für die kleinen Vögel
schon im voraus, noch ehe der strenge Winter kommt, die nötige
Nahrung besorgt, und in unseres Goltes großem Haushalten wird
nicht einmal ein Tierchen übersehen, geschweige denn ein Mensch.
Gotthilf Heinrich von Schubert.
91. Die Bremse.
Das Fenster ist zu, der Zeisig singt.
„Summ!“
Die Bremse durch die Stube sich schwingt:
„Wumm!“
Bald brummt sie laut, bald summt sie still,
hat alles vollauf, was sie nur will:
Braten und Wein und Zucker drein,
da kann eine Bremse schon lustig sein.
Die Bremse schaut zum Fenster hinaus
Summ!“
Da draußen sieht es anders aus:
„Wumm!“
Sie brummt für sich: „Jetzt seh ich's klar,
wie garstig es hier drinnen war;
ich will hinaus, ich muß hinaus,
ich halt's, ich halt's in der Stube nicht aus!“
Der Zeisig hört, was die Bremse spricht
„Summ!“
und ruft: „Bleib' hier, fort kannst du nicht;
„Wumm!“
„du glaubst, von Luft die Scheiben sein
die sind von Glas und hart wie Stein,
Frau Bremse, sacht! bald kommt die Magd
dann werden die Fenster aufgemacht!“