6 Die Zeit der Restauration.
und sozialen Ideen zu finden sei. Der romantischen Betrachtung vergangener
Zeiten erschien die Erhaltung und Wiederherstellung der alten Zustände Wünschens-
werter als die Hingabe an die Ideale der Revolution.
d. „Auf der Basis dieser gesteigerten konservativen und religiösen Stimmung
erwuchsen nun die Gedankenreihen, in denen sich jetzt alle diejenigen Kreise
zusammenfanden, die Europas Geschicke in Händen hatten. Die Aufgabe war,
das so mühsam Gewonnene zu sichern, also mußten die Ideen der Revolution
in die Acht getan werden. Was sie zu wirken fähig waren, hatte man er-
fahren, also galt es, schon die erste Regung zu ersticken. Von der Leugnung
der Autorität war das Übel ausgegangen, zur Autorität mußte also zurück-
gegangen werden. Man fand dafür das Losungswort: Legitimität. Als
legitim galt alles historisch Gewordene, durch Alter Geheiligte,
durch Erbrecht Erworbene, kirchlich Geweihte. Es war der diametrale
Gegensatz zu allem, was seine Bedeutung sich selber verdankt, was irgendwie
aus einer populären Bewegung entsprossen war. Dieses letztere erschien unrein
und unheilig. Die Wiederaufrichtung der alten, auf dieser Legitimität be-
ruhenden Ordnung und ihre Erhaltung erschien als der sicherste Schutz gegen
eine Wiederkehr revolutionärer Stürme. Damals schloß sich der Bund von
Thron und Altar aufs neue, begannen staatliche und kirchliche Ordnung, die
die Reformation doch so scharf geschieden hatte, unter dem Gesichtspunkte der
Ordnung überhaupt wieder miteinander verquickt und verwechselt zu werden."
(Schwemer, Restauration und Revolution.)
4. Eine außerordentlich wirksame Unterstützung erfuhr die von den
meisten Regierungen alsbald eingeleitete Restaurationspolitik auch durch die
Tätigkeit namhafter Staatsrechtslehrer und Publizisten, welche die
reaktionären Tendenzen der Restauration wissenschaftlich zu begründen versuchten.
„In Hallers »Restauration der Staatswissenschaften« erschien eine
systematische Darstelluug der politischen Wissenschaft, welche auch die aus-
schweifendsten Forderungen der Restauration als der Natur der Dinge und
den Forderungen einer wissenschaftlichen Betrachtung der Tatsachen gemäß er-
scheinen ließ. . . . Es ist eine sehr niedrige und den Erscheinungen eines
größeren und reicher entwickelten Staatslebens gegenüber ganz unzureichende
Auffassung des Staates, die Haller entwickelt, aber die Kraft der Persönlichkeit,
die das Werk durchdringt, und mancherlei Vorzüge der Gelehrsamkeit verschaffen
ihm einen Einfluß und ein Ansehen, die sich nicht leicht überschätzen lassen. . . .
Schriften wie Joseph de Mai st res Soirees de St. Petersbourg und Du Pape
boten der eleganten Welt zum Kampf gegen den Geist der Freiheit und alle
Einrichtungen der Reform ein Gemisch von glänzenden Halbwahrheiten und
dreisten Behauptungen, verkittet durch religiöses Empfinden und durch den Hin-
weis auf das unveräußerliche Bedürfnis der Menschen nach Religion. Leicht
sand hier der Weltmann, was er brauchte, um die Jnteresseupolitik der
herrschenden Klasse mit dem Schimmer des Ewigen zu umkleiden und die
Gegengründe abzuweisen. . . . Was de Maistre bot, war völlig anderer Natur
und anderer Form als die schwere Gelehrsamkeit Hallers: um so mehr ergänzten
sie sich in der Wirkung. Zu diesen Hauptwerken traten dann die Schriften
von Schönrednern und Publizisten wie Gentz, Ancillon und Adam Müller,1)
*) Über Gentz vgl. Treitschke, Deutsche Geschichte. II. Bd. @. 462ff.; über Haller,
Adam Müller, Ancillon u. a. ebd. S. III ff.