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wurde nach und nach so zahm, daß er den Kindern, wenn sie „Mätzchen!
Mätzchen!“ riefen, ohne Furcht auf den Finger flog und ihnen mit dem
Schnabel Brotkrümchen oder ein Stückchen Zucker aus dem Munde
nahm. Das machte den Kleinen viel Spaß, und bald wurde der Vogel
ihnen lieber als alles Spielzeug.
Als nun aber der liebe Frühling kam und die Bäume des Waldes
sich mit frischem Grün bekleideten, sagte die Mutter: „Hört, Kinder,
jetzt würde es eurem Stieglitze gewiß besser im Freien gefallen als bei
uns in der Stube. Laßt ihn fliegen, am Ende stirbt er gar im Käfige,
und das wäre doch schade!“ — Julius und Franziska trennten sich
von ihrem Vögelchen gar ungern. Weil sie es aber zu lieb hatten, um
es zu quälen, riefen sie es: „Mätzchen! Mätzchen!“ — Mätzchen kam,
setzte sich auf Franziskas Finger, und die Kinder liefen mit ihm hin—
aus auf die Straße. Mätzchen schaute sich verwundert um, schlug mit
den Flügeln und sang. Endlich flog es weg. „Adieu, Mätzchen! Adieul!“
riefen die Kleinen betrübt. Aber siehe da, plötzlich kam Mätzchen wieder
geflattert, setzte sich auf Franziskas Schulter und zwitscherte laut, als
ob es sagen wollte: „Bei dir gefällt es mir besser als draußen!“
Da war der Jubel groß. Im Triumphe wurde Mätzchen wieder
mit in die Stube genommen und bekam zum Lohne für seine Treue
ein großes Stück Zucker. Die Mutter aber sagte: „Das gute Vögelchen
hat euch lieb zum Danke für eure Barmherzigkeit. Es weiß recht gut,
daß es erfroren oder verhungert wäre, hättet ihr es nicht zum Fenster
hereingelassen. Seid auch ihr dankbar, wenn man euch Gutes thut.“
161. Bescheidene Bitte an dle Nenschen.
L Bitto, stillot unsro Not,
bĩtto, bitto, gobt uns Brotl
Alle Dãcher, Hocken, Walder.
allo Wege, allo Velder,
wo ein FPuttorkörnoehon steokt,
alles ist mĩt Schnoe bodeockct.
Alle Nahrung ist vorschũttot,
und ein hungernd Vöglein bittet:
„Bitto, bitto, gobt uns Brot,
bitte, stillot unsro Notl