Full text: [Teil 3, [Schülerband]] (Teil 3, [Schülerband])

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Ohr an die Thürspalte und horchte. Drinnen hörte er ein Kind laut 
sprechen, und als er durchs Schlüsselloch guckte, sah er beim Dämmer— 
scheine, daß es ganz allein mit gefalteten Händen in seinem Bettchen 
saß. — Das Kind betete, wie es immer vorm Schlafengehn that, laut 
sein Vaterunser. — Schon sann der Mann darüber nach, wie er dennoch 
seinen Diebstahl am besten ausführen möchte, da hörte er, wie das 
Kind mit lauter, klarer Stimme eben die Worte betete: „Und führe 
uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Übel.“ Das ging 
dem Manne tief zu Herzen, und sein Gewissen erwachte. Er fühlte, 
wie schwer die Sünde sei, die er eben hatte begehen wollen. Da falteten 
sich auch seine Hände, und auch er betete inbrünstig für sich: „Führe 
uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Übel,“ und der 
liebe Gott erhörte ihn. 
Auf demselben Wege, den er gekommen, schlich er wieder zurück bis 
an sein Kümmerlein. Dort bereute er von ganzem Herzen sein bisheriges 
Leben, bat Gott um Verzeihung und dankte ihm für den Schutz, den er 
ihm durch den Mund eines frommen Kindes hatte angedeihen lassen. 
Er ist darauf ein arbeitsamer und ordentlicher Mensch geworden. 
188. Die vier Jahreszeiten. 
Ernst hatte sich einen Mann aus Schnee gemacht. Jetzt stand er 
vergnügt dabei, jubelte laut vor Freude und rief: Ach, wenn es 
doch immer Winter bliebe!“ — Der Vater hörte dies und schrieb 
des Sohnes Worte in seine Schreibtafel. 
Der Winter verging, es kam der Frühling. Da ging Ernst mit 
seinem Vater in den Garten, um zu arbeilen. Als sie eintraten, fiel 
dem Knaben eine Menge herrlicher Blumen in die Augen. Der Gärt⸗ 
ner hatte des Vergnügens halber sie alle gepflanzt. Hyazinthen, Veilchen, 
Aurikel und Schneeglöckchen standen in voller Blüte und verbreiteten 
füßen Wohlgeruch. Lange blieb der überraschte Knabe vor den lieblichen 
Kindern des Lenzes stehen, und der Vater fragte: „Weißt du, wer diese 
Blümchen uns bringt?“ „Wohl,“ antwortete Ernst, „den Lenz erkennt 
man an seinen Blumen, bliebe er doch immer bei uns!“ 
Auch diesen Wunsch schrieb sich der Vater auf. — Jetzt kam der 
Sommer. Manche Früchte waren von der Hitze gereift. Da ging 
Ernst mit seinen Eltern und Gespielen nach dem nächsten Dorfe. Hier
	        
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