216. Die Farben.
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zusehen! Grün ist der schattige Wald; grün sind die Wiesen
und Matten; ein grünes Gewand trägt der Jäger im dunklen
Forst, und ein Jäger will ich werden. Drum ist Grün meine
liebste Farbe.
Aber ich kann doch gar nicht begreifen, sprach Paul,
daß niemand von euch die blaue Farbe liebt; das ist doch
die schönste von allen. Die Wunderblume im Gebirge, von
welcher neulich der Bergmann uns erzählte, ist blau. Blau
ist der Himmel, an dem Sonne, Mond und Sterne stehen,
und die Augen der Mutter sind auch blau. Darum ist Blau
meine liebste Farbe.
Aber ihr werdet doch zugeben, rief Karl, daß auch die
gelbe Farbe ganz prächtig aussieht! Habt ihr etwas Schöneres
gesehen als das große, blühende Saatfeld vor vier Wochen,
das hinter unserm Garten sich ausdehnte und von Millionen
Bienen und Käfern umschwärmt war? Die gelbe, volle Rose
hier, hat sie sich vor ihren roten Schwestern zu schämen?
Gelb ist meine liebste Farbe.
Nun fingen die Knaben an zu streiten, wohl eine
halbe Stunde lang; jeder verteidigte seine liebste Farbe.
Maria, die älteste Schwester, hörte zu. Als der Streit etwas
lebhaft wurde, sprach sie: Kommt, ich will euch etwas zeigen,
Sie führte die Knaben auf den freien Platz vor dem Garten—
hause und zeigte ihnen einen überaus prächtigen Regenbogen,
der eine leuchtende Brücke von der Erde zum Himmel zu
bilden schien. Ha, wie prächtig! riefen die Knaben aus.
Und alle Farben sind darin, sprach Maria, und erst in
der Zusammensetzung strahlen sie recht lieb und zauberisch
in das Auge. Möget ihr eine davon aus diesem herrlichen
Bogen hinweg wünschen?
Nein! riefen die Knaben, betrachteten noch lange den
Friedensbogen, den der Herr über die Erde wölbet, und
waren heiter und froh zusammen.
Lesebuch für Unterklassen.
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