Full text: Lesebuch für die Unterklassen der Volksschulen des Regierungsbezirkes Oberbayern

48. Das gestohlene Pferd. 
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48. Das gestohlene VYferd. 
Christoph von Schmid. 
Einem Bauersmanne wurde bei Nacht sein schönstes 
Pferd aus dem Stalle gestohlen. Er reiste weit fort auf 
einen Pferdemarkt, um ein anderes zu kaufen. Aber siehe, 
unter den dort vorhandenen Pferden erblickte er das seinige. 
Ohne Umstände ergriff er es beim Zügel und sagte: Das 
Pferd gehört mir; vor drei Tagen wurde es mir gestohlen. 
Der Mann, der das Pferd feil hatte, sagte sehr höflich: 
Da seid ihr in einem großen Irrtume, lieber Freund! Ich 
habe das Tier schon über ein Jahr; das eurige mag ihm 
vielleicht ähnlich sehen. 
Schnell hielt der Bauer dem Pferde mit beiden Händen 
die Augen zu und rief: Nun, wenn ihr den Hengst schon 
so lange habt, so sagt doch, auf welchem Auge er blind ist! 
Der Fremde, der das Pferd wirklich gestohlen hatte, 
geriet jetzt in die größte Verlegenheit. Um indes doch etwas 
zu erwidern, sagte er aufs Geratewohl hin: Auf dem linken 
Auge. — Nicht wahr! versetzte der Bauer, das linke Auge 
ist vollkommen gesund. — Ach nein, sagte der Fremde, ich 
habe mich versprochen, auf dem rechten Auge ist es blind. — 
Oho! rief triumphierend der Landmann, nun ist es klar, daß 
du ein Dieb und Lügner bist! — Das Pferd ist gar nicht blind! 
Seht alle her! Es hat zwei ganz gesunde Augen. 
Die vielen Leute, die umherstanden, lachten und riefen 
dem Landmanne Beifall zu. Der Pferdedieb wurde aber 
sogleich von einigen anwesenden Polizeidienern festgenommen 
und zur verdienten Strafe gezogen.
	        
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