fullscreen: Deutsches Lese- und Bildungsbuch für katholische Präparandenanstalten

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gewöhnlichen Wohnsitzes, denn dort ist er über Tal und Höhen zur fröhlichen 
Sommerzeit gewandert, dort hat er genußreiche Stunden verlebt, die ihn 
emportrngen über die Sorgen des Werkeltages und den drangvollen Kampf 
ums Dasein. 
Aber auch wer die Pracht der Alpen bewundert hat, wird sich eines über¬ 
wältigenden Eindrucks nicht erwehren können, wenn er, allmählich von der 
schlesischen Ebene durch niederes Bergland aufsteigend, die Höhen des im 
Norden vorgelagerten Bober-Katzbachgebirges erklommen hat und nun mit 
einem Schlage im Abendsonnenschein die herrlichsten Gesilde vor sich liegen 
sieht. Blühende Dörfer, deren rote Dächer und weiße Giebel aus mächtigen 
Baumgruppen emporschimmern, ziehen sich in langen Straßen von der Anhöhe 
hinab dem Laufe des Bober zu, der sich glitzernd von Ost nach West durch 
das Tal schlängelt. Dort, wo er seinen mächtigen Bruder, den Zacken, um¬ 
armt, der von Süden her aus der Einsenkung zwischen Riesen- und Jsergebirge 
ihm entgegeneilt, verdichten sich Straßen und Häuser zu einer ansehnlichen 
Stadt, die mit ihren Armen wieder hoch bis in die jenseitigen Täler hinein¬ 
greift. Zu ihrer Rechten und Linken aber breitet sich eine mit Villen, Schlössern 
und Kirchen besäte niedere Hügellandschaft aus; dann folgt, so flach wie der 
Spiegel eines Sees, eine Ebene, aus der nun das eigentliche Niesengebirge 
als ein imposanter blauer Wall unmittelbar in die Höhe zu steigen scheint. 
Die Umrißlinie dieser mächtigen Bergwand jenseits des vorgeschichtlichen 
Seebeckens, von welchem nur einzelne sumpsige Wasserspiegel zurückgeblieben 
sind, ist edel und charakteristisch; sie hält mit ihren sanften Schwingungen die 
schöne Mitte zwischen der zackigen Säge des Alpenprofils und der langweiligen 
Horizontale des Juragebirges. Eine leichte Einsenkung scheidet die Kette in 
zwei Teile, die sich an Masse das Gleichgewicht halten und doch in der Form 
verschieden sind. Denn während die östliche Flanke auf breitem Rücken den 
abgerundeten Koppenkegel trägt, gipfelt sich der ganze westliche Flügel zu einem 
gewaltigen Massiv, aus dem bei gewöhnlicher Luftbeschaffenheit die Einzel¬ 
formen der höchsten Erhebungen, des Hohen Rades und der Sturmhaube, dem 
fernen Beschauer kaum noch bemerkbar hervortreten. 
Ist aber die Luft klar und die Beleuchtung günstig, so modelliert sich die 
weite Fläche zu einem bewegten Relief. Da sieht man, wie in den granitnen 
kahlen Bergrücken tiefe Nischen und Abgründe eingenagt sind, wie waldbeoeckte 
Nippen tief in das Tal herabsteigen, und wie hellgrüne Wieseninseln mit wei߬ 
schimmernden Häusern aus dem dunkeln Nadelholzmeere auftauchen. 
Dies alles entzückt das Auge durch Form und Farbe, aber es fehlt einer 
Landschaft der mächtigste Reiz, wenn sie nicht zugleich durch erhebende, dem 
Menschenleben angehörende Vorstellungen die Seele in ihren Tiefen aufregt. 
Hatte nun auch die Sage ihren Märchenschleier um diese Höhen gewoben, 
die Pittoreske Ruine des Kynast und des Bolzenschlosses manchen deutschen 
Sänger zu anmutigen Balladen begeistert, die urdeutsche Gestalt des Berggeistes 
Rübezahl mit seinen unzähligen, den Volkscharakter widerspiegelnden Schwänken 
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