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145. Der treue Star.
brodelte und sott, und die Fische wurden darinnen nicht tot, sondern
lustiger und lustiger.
Auf einmal entstand ein Sausen und Brausen in den Bäumen,
daß sie meinten, der Wald falle zusammen, und der See rauschte, als
wäre Wind auf ihm. Und doch rührte sich kein Zweig und keine Welle,
und am Himmel stand keine Wolke. Unter dem See ging es wie mur—
melnde Stimmen: „Es sind nicht alle zuhause — zuhause.“
Da kam den Männern eine Furcht an, und sie warfen alle Fische
ins Wasser. Im Augenblicke war Stille, und der Mond stand recht
schön am Himmel.
Die Männer aber blieben die ganze Nacht auf einem Stein sitzen
und sprachen nichts, denn sie fürchteten sich sehr. Als es Tag ge—
worden, gingen sie eilig von dannen und berichteten alles den Königen.
Diese zogen sofort ab und verwünschten den Wald, daß er eine Einöde
bliebe auf ewige Zeiten.
145. Der treue Star.
Nach A. Schöppner.
Einmal wurde ein Töchterlein aus dem Geschlechte der Markgrafen
von Cham und Vohburg durch Zigeuner geraubt. Ein Star, welcher
im Schlosse gehalten wurde, flog den Räubern nach und begleitete sie
auf all ihren Kreuzz und Querzügen. Wenn sie rasteten, ließ er sich
auf einem nahen Baume nieder und begann die ihm eingelernten Sprüche
herzuplaudern. Die Räuber besorgten nun, durch den Vogel verraten
zu werden, und stellten ihm auf alle mögliche Weise nach; aber das
kluge Tier wußte allen Schlingen und Geschossen zu entgehen. Da
trachteten die Zigeuner, sich des gefährlichen Raubes zu entledigen. Sie
setzten das Kind an der Schwelle einer einsamen Herberge im Böhmer—
walde aus. Der Star schwang sich auf den Giebel des Hauses und
sang da mit heller Stimme seine alten Weisen.
Die Wirtin, eine arme aber gutmütige Frau, nahm sich des Find—
lings bestens an und fütterte auch getreulich den Star, der sich von der
Kleinen durchaus nicht trennen wollte. Wohl dachte sie, wenn sie das
feine und zierlich ausgenähte Hemdlein des Kindes beschaute, daß dieses
aus einem vornehmen Hause stammen müsse, aber von dem Raube in
der markgräflichen Burg drang keine Kunde in ihre Einöde, und so
wußte sie nicht, woher und wohin mit dem Mädchen.
Dieses wuchs im Laufe der Jahre zu einer blühenden Jungfrau
heran. Da wurde eines Tages ein stattlicher Ritter durch einen Gewitter—
sturm gezwungen, in der Herberge zuzusprechen. Während der Gast