Full text: [Teil 2 = Mittelstufe, [Schülerband]] (Teil 2 = Mittelstufe, [Schülerband])

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lächelnd sagte, ihn, der von Anfang und zugleich von so vielen Patriarchen 
so feierlich gesegnet sei, könne niemand verwünschen. Obwohl es nun 
schwer ist, von dieses Mannes Thaten und Charakter iy würdiger Weise 
zu schreiben, so zwingt mich doch, dieselbe zu schildern, der dringende Um- 
stand, daß ich versprochen habe, dies Werk bis zu deinem Amtsantritt, ehr- 
würdiger Erzbischos Liemar, fortzufiihren. Wenn ich also auch aus Thorheit 
und Tollkühnheit mich auf dies Meer hinausgewagt habe, so glaube ich jetzt 
doch nicht unweise zu handeln, wenn ich wieder der Küste zueile. Für die 
Landung aber an dieser Küste sehe ich für mich Unerfahrenen kaum einen 
Hafen offen; denn so voll ist alles von den Klippen des Neides und den 
Hemmnissen der Schmähsucht, daß man, was du lobst, als einen Gegen- 
stand deiner Schmeichelei durchhechelt, den Tadel aber, den du über Ber- 
geHungen aussprichst, als aus Böswilligkeit entsprungen, darstellt. Da 
jedoch jener merkwürdige Mann, mit jeglicher Art des Lobes gepriesen 
werden kann, weil er edel von Geburt, weil er schön von Gestalt, weil 
er weise, beredt, keusch und mäßig war, so vereinte er auch alle diese Vor- 
züge in sich; allein er besaß außerdem noch andere, die den Menschen von 
außen zuzufließen pflegen, daß er nämlich reich und glücklich ist, daß er 
Ruhm und Macht erwirbt; auch biefe Vorzüge standen ihm reichlich zu 
Gebote. Außerdem bewies er in der Heidenmission, welche die vornehmste 
Aufgabe der Hamburger Kirche ist, eine Thätigkeit wie ferner vor ihm. 
Ebenso hatte er in der feierlichen Ausübung gottesdienstlicher Handlungen, 
in der Ehrerbietung gegen den apostolischen Stuhl, in der Treue gegen 
den Staat, nicht weniger in der Sorge für seinen Sprengel keinen Seines¬ 
gleichen, oder einen, der in seinem Amte als Seelenhirt in irgend einer 
Beziehung sich wachsamer zeigen konnte, als er, wäre er nur beständig so 
geblieben. Denn nachdem er im Anfange sich so erwiesen hatte, erschien 
er gegen das Ende seines Lebens minder gut. Zu dieser Abnahme seiner 
Tüchtigkeit aber brachte den nicht genug vorsichtigen Mann sowohl die 
eigene Nachlässigkeit, als der Antrieb fremder Bosheit. Davon wird seiner 
Zeit die Rede sein. So will ich denn meine Erzählung so beginnen, daß 
sofort aus seinem Charakter Alles gefolgert werden kann. 
Er war nämlich ein Mann von sehr vornehmer Abkunft; ') feine 
erste Würde war die eines Propstes zu Halberstadt; sein Geist war scharf- 
1) Er war einer an der Saale heimischen vornehmen Familie Sachsens ent- 
sprossen und selbst den Ottonen weitläufig verwandt, ein Bruder des Dedo, welchem 
der Kaiser zum Lohn für wichtige Dienste in den Ungarnkriegen die Pfalzgrasschaft in 
Sachsen ertheilte, und toohn des Grafen Friedrich, welcher mit seinen Söhnen das 
Kloster Goseck bei Naumburg gestiftet hat.
	        
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