Full text: [Teil 2 = Mittelstufe, [Schülerband]] (Teil 2 = Mittelstufe, [Schülerband])

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So hat sie es den ganzen Sommer hindurch getrieben. Krank— 
heit und Kälte töteten endlich im Oktober ihre Kameradinnen; sie 
aber hatte sich gerettet. Ganz allein spaziert sie jetzt an der Decke 
umher, ohne zu fallen. Wie ist das möglich? Sie hat am Ende 
der Füße weiche Ballen, die wie Saugläppchen wirken. Mit diesen 
Fußballen hält sie sich fest. 
So ist auch der Körper der kleinen Fliege ein Kunstwerk. 
Kein Künstler unter den Menschen könnte es herstellen. 
223. Der bestrafte Tierquäler. 
Mu meiner letzten Reise saß ich eines Tages mit mehreren 
Freunden in einem Städtchen am Brunnen unter der schat- 
tigen Linde. Wir plauderten über dies und das und ergötzten 
uns an dem Leben und Treiben auf der vorüberführenden 
Landstraße. 
Auf einmal bot sich uns ein recht aufregendes Bild dar. 
Der Fuhrknecht einer Brauerei kam mit einem leeren Wagen 
in scharfem Trabe herangefahren. Der Wagen rasselte, daß 
man es recht wohl jenseits des Flusses hören konnte; aber 
dem rohen Knechte ging es noch immer nicht schnell genug. 
Hochaufgerichtet stand er auf dem Wagen und schlug unbarm- 
herzig auf die Pferde los; es war deutlich zu erkennen, daß 
er die Tiere zum Galopp zwingen wollte. Alle Leute auf der 
Straße wichen aus. Einige Männer riefen dem Burschen war— 
nende Worte zu; dieser aber lachte höhnisch und setzte seine 
Prũügelei fort. Jetzt sauste der Wagen an der Linde vorüber 
und bog in scharfer Krümmung in eine Seitenstraße ein. Die 
Schwenkung machté einen langsameren Lauf nötig, und um 
diesen zu erzielen, riß der Knecht so unbarmherzig am Zügel, 
daß beide Pferde mit hochaufgeworfenem Kopfe sich jäh zurück- 
bäumten. Beinahe wäre das Gefährt gegen die Mauer ge-⸗ 
flogen. 
Alle am Tische waren empört über das unmenschliche 
Benehmen. Der Arzt des Städtchens, der auch bei uns saß, 
hatte sich erhoben und rief im Tone der Entrüstung: „Das ist 
der roheste Patron weit und breit. Schon mehrmals babe ich 
Zeuge sein müssen, wie er die ihm anvertrauten Tiere miß- 
handelt hat. Sobald ich zu seinem Herrn komme, werde ich 
ihn zu bewegen suchen, diesen Tierquäler zu entlassen.“ 
Während wir uns noch über den Vorfall unterhielten, 
kam plötzlich ein Dienstmädchen hastig auf uns zugelaufen unä
	        
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