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der Kuckuck ruft; der Finke schlägt;
es jubelt, was sich froh bewegt:
Der Lenz ist angekommen!
Hier Blümlein auf der Heide,
dort Schäflein auf der Weide!
Ach, seht doch, wie sich alles freut
es hat die Welt sich schön erneut;
Der Lenz ist angekommen!
Des Knaben Wunderhorn.
121. Das Bienchen im Frühling.
Es war Frühling geworden. Die Sonne hatte den Schnee von
den Feldern weggeschienen; die grünen Grasspitzen kamen aus den welken
Halmen hervor; die Knospen der Bäume brachen auf und ließen schon
die jungen Blättchen durchscheinen. Da wachte das Bienchen aus seinem
tiefen Schlafe auf, worin es den ganzen Winter gelegen hatte. Es rieb
sich die Augen und weckte seine Kameraden, und sie öffneten die Thür
und sahen, ob das Eis und der Schnee und der Nordwind fortgegangen
wären. Und siehe, es war überall heller und warmer Sonnenschein.
Da schlüpften sie heraus aus dem Bienenkorbe, putzten ihre Flügel
ab und versuchten wieder zu fliegen. Sie kamen zum Apfelbaume und
fragten: „Hast du nichts für die hungrigen Bienchen? Wir haben den
ganzen Winter nichts gegessen.“ Der Apfelbaum sagte: „Nein, ihr
kommt zu früh zu mir; meine Blüten stecken noch in der Knospe, und
sonst habe ich nichts. Geht hin zu der Kirsche!“
Da flogen sie zum Kirschbaume und sagten: „Lieber Kirschbaum,
hast du keine Blüten für uns hungrigen Bienchen?“ Der Kirschbaum
antwortete: „Kommt morgen wieder; heute sind meine Blüten noch alle
zugeschlossen. Wenn sie offen sind, sollt ihr willkommen sein.“
Da flogen sie zu der Tulpe; die hatte zwar eine große, farbige
Blume; aber es war weder Wohlgeruch, noch Süßigkeit darin; die
Bienchen konnten keinen Honig darin finden.
Da wollten sie schon wieder traurig und hungrig nach Hause zurück—
kehren, als sie ein dunkelblaues Blümchen an der Hecke stehen sahen.
Es war das Veilchen, das wartete ganz bescheiden, bis die Bienchen
kamen; dann aber öffnete es ihnen seinen Kelch; der war voll Wohl⸗
geruch und voll Süßigkeit, und die Bienen sättigten sich und brachten
noch Honig mit nach Hause. Wilh. Curtman.