26 IV. Der Reichskanzler 
3. Die volkswirtschaftliche Bedeutung dev Kolonien. 
(Aus der Reichstagsrede vom 13. INärz 1885.) 
Dem Herrn Vorredner schienen als Kolonien vorzugsweise solche Län¬ 
der vorzuschweben, nach denen hin der Deutsche aus allen Ständen aus¬ 
wandert, namentlich schien ihm derjenige Deutsche dazu prädestiniert, 
der im vaterlande sein Fortkommen nicht gefunden hat; er deutete an, 
daß auch der Kuswurf der Nation dahin gehen werde, — wo diese 
in Masse sich etablieren könnten und in ihrem Geschick in ihren Neben¬ 
menschen nachsichtigere Richter finden wurden, als sie zu Hause ge¬ 
funden haben. Das patzt auf keine der bisherigen Kolonien; die be¬ 
deutendsten und zukunftreichsten derselben liegen unter dem Äquator 
oder fast unmittelbar am Äquator. . . . Wenn die (Engländer auf ihre 
dortigen Kolonien einen so starken wert legen, wenn sie — nicht die 
Regierung, aber viele von ihren Untertanen — uns das Leben dort so 
schwer gemacht haben, wenn sie mit großer Zähigkeit an den Stel¬ 
lungen, die sie dort gewonnen haben, festhalten und sich mit einer nach¬ 
ahmenswerten (Energie auszudehnen und zu verbreiten suchen, — sollte 
das ein bloßes Phantasiegebilde von den (Engländern sein, sollte es 
nur auf irgendeine phantastische Schützenfestlaune hinauslaufen ? Sollten 
da nicht solide englische Interessen dahinterstecken, die Hoffnung, eng¬ 
lische INanufakta in großer Masse durch ihreFaktoreien an der Küste und 
nach dem Innern von Afrika an die Hunderte von Millionen abzusetzen, 
die diese Länder bewohnen, und die allmählich an einen größeren ver¬ 
brauch von europäischen waren sich gewöhnen? . . . Und den (Englän¬ 
dern mögen Sie vorwerfen, was Sie wollen, aber dumm in Handels¬ 
sachen sind sie nicht (Heiterkeit); man läuft Gefahr, selbst dem Vor¬ 
wurf zu verfallen, wenn man ihn den Engländern macht. 
Ich halte für die aussichtsreichsten Kolonien diejenigen, die hier als 
„Gründungen" qualifiziert werden, weil die Namen Hansemann, Bleich¬ 
röder darunter stehen, die in Neuguinea sehr geachtet sind. Nach allem, 
was ich von dort gehört habe, gibt es große fruchtbare und der Kultur 
leicht zugängliche Gegenden, die jetzt mit steppenartigem, mannshohem 
Grase bewachsen sind, unter dem Äquator liegen, sich also für Kultur 
von Kaffee, Baumwolle und dergleichen tropischen Produkten vorzüglich 
eignen. 
Nun sagt der Herr Vorredner: „Das kommt doch nur einigen reichen 
Geschäftshäusern zugute, die ohnehin reich genug sind." Ja, meine Her¬ 
ren, diese reichen Kaufleute sind doch sozusagen auch Menschen, ja sogar 
Deutsche, die auf unsern Schutz für ihren Reichtum und nach Maßgabe 
ihrer Unternehmungen denselben Anspruch haben, den der reiche (Eng¬ 
länder von seiner Regierung beansprucht, wenn es in England nicht 
eine erheblich größere Anzahl Millionäre gäbe als bei uns, so würde es
	        
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