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und sagte: „Bellin, habt Ihr nicht gehört, wie der König mich
gestern bat, ich sollte ihm bald ein paar Briefe schreiben? In der
Zeit, als Lampe sich mit seiner Muhme alte Geschichten erzählte
und lustig war beim Essen und Trinken, da habe ich die Briefe
geschrieben. Darum hört, was ich Euch sage: In dem Ränzel
sind zwei wichtige Briefe. Die sollt Ihr dem Könige bringen.
Nehmt aber das Ränzel unterwegs nicht ab und macht es nicht
auf. Die Brieke sind sehr wichtig, da stehen geheime Sachen
drin, die nur der König lesen darf. Der wird Euch loben und
Euch einen schönen Botenlohn geben. Lampe bleibt noch etwas
hier. Nun geht und bestellt Eure Sache gut.“ Bellin beeilte sich,
daß er an den Hof kam. Dort übergab er dem Könige das Ränz-
lein mit den Briefen und sagte: „Reineke ist daheim auf seiner
Burg. Er hat Euch zwei kluge Briefe geschrieben. Darin steht
viel feiner Rat für Euch, und ich habe auch mein Wörtlein dazu
gesagt.“ Hinze machte das Ränzel auf und zog etwas heraus,
das war das blutige Haupt von Lampe.
| Der König und die Königin erschraken gewaltig. Und auch
alle Tiere waren erschrocken, und keins konnte zuerst ein Wort
sagen. Der König ließ den Kopf auf seine Brust sinken und
sagte: „Das hat kein anderer angerichtet als Reineke. Alles, was
er uns gesagt hat, waren große Lügen. Ich will ihm aber zeigen,
daß ich Herr im Lande bin.“ Und in seinem Zorne riet der König:
„Jch befehle, daß ihr euch alle rüstet. Dann wollen wir alle zu-
sammen nach Malepartus ziehen und Reineke fangen. Und wenn
wir ihn haben, dann nicht mehr viel Worte gemacht wie gestern,
sondern gleich mit ihm an den Galgen und aufgehängt.“
Sechs Tage danach versammelte sich das Heer, und König
Nobel führte es vor Malepartus.. Die Vögel in der Luft sollten
achtgeben, daß Reineke nicht heimlich entwiche. Waldmann,
der Dachshund, mußte auskundschaften, ob Reineke daheim
wäre. Er fand aber nur Frau Ermelin mit ihren beiden Kindern
Rossel und Reinhart und brachte sie zum Könige. Der sprach zu
Frau Ermelin: „Sagt mir auf der Stelle, wo ist Reineke, der Schelm?
Oder ich lasse Euch mit Euren beiden Kindern aufhängen!“ Aber
sie tat, als wüßte sie es nicht. Da sagte der König zu Isegrim
und Hinze: „Bindet das Weib und die Kinder!“. Frau Ermelin
hatte Angst um sich und ihre Kinder und sprach: „Mein Mann
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