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Gott solle sie doch nicht verlassen, kommt der Kaiser in ihre Woh—
nung. Er war ein wenig in seinen Mantel gehüllt, so daß man ihn
nicht leicht erkennen konnte. Als er zu der kranken Frau in die Stube
trat, in welcher es leer und betrubt aussah, meinte sie, es sei der
Doktor, und erzählte ihm ihren Zustand, und wie sie noch so arm
dabei sei und sich nicht recht pflegen könne. Der Kaiser sägte: Ich
will Euch ein Rezept schreiben. Und sie sagte ihm, wo des Bübleis
Schreibzeug sei. Also schrieb er das Rezept, legte es auf den Tisch
und ging fort. Als er kanm eine Minng fortgegangen war, kam
der rechte Doktor auch, den der Knabe geholt hatte. Die Frau ver—
wunderte sich, als sie hörte, er sei auch ein Doktor, und entschuldigte
sich, es sei schon einer dagewesen und habe ihr etwas verordnet,
dort liege das Rezept. Als der Dokt das Rezept in die Hand
nahm und sah, was der andere Arzt verordnet hatte, da ging ihm
freilich ein Licht auf. Frau, sagte er, Ihr seid einem guten Arzte in
die Hände gefallen; der kann mehr als ich. Er hat 25 Dukaten
verordnet, zu erheben bei dem Zollamte, und darunter steht Fosef⸗
Kennt Ihr den? Eine solche Arzenei hätte ich Euch nicht verschreiben
können! Da that die Frau einen Bc zum Himmel und konnte nichts
anderes sagen als: Gott sei Lob und Dantl Der zweite Doktor ver—
ordnete ihr nun auch eine Arzenei, die ihr bald wieder zu ihrer Ge—
sundheit berhalf. Aso hat der Doklor vie kranke Frau kuriert und
der Kaiser die arme. Hebel.
254. Das kranke Kind.
L. Die Gegend lag so helle,
die Sonne schien so warm,
es sonnt sich auf der Schwelle
ein Kindlein, krank und arm.
2. Geputzt zum Sonntag heute
zieh'n sie das Thal entlang,
das Kind grüßt alle Leute,
doch niemand sagt ihm Daͤnk.
3. Viel Kinder jauchzen ferne,
so schön ist's auf der Welt!
Ging auch spazieren gerne,
doch müde stürzt's im Feld.
4. „Ach, Vater, liebe Mutter,
helft mir in meiner Not!“
Du armes Kind, die ruhen
ja unterm Grabe tot!
5. Und so im Feld alleine
das kranke Kindlein blieb,
fragt' keiner, was es weine,
hat jeder seins nur lieb.
6. Die Abendglocken klangen
schon durch die slle Welt,
die Engel Gottes sangen
und gingen übers Feld.
7. Und als die Nacht gekommen,
und alles das Kind verliet
sie haben's mitgenommen;
nun spielt's im Paradies.
Eichendorff.