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208. Vom Spinnlein und Mücklein ein trauriges
Stücklein.
Die Spinne hat gesponnen
den Silberfaden zart und fein.
Du Müuücklein in der Sonnen,
nimm wohl in acht die Flügelein!
Fein Mücklein, — horcht! — wie denkt es?
„Durchs Netz zu fliegen ist ein Spiel.“ —
Frau Spinne aber fängt es
und speist es auf mit Stumpf und Stiel.
Die Spinne hat gewebet
ihr seidnes Netz mit kluger Hand;
wer weiß, wie lang noch lebet
fein Mücklein, was die Flügel spannt!
209. Die Tiere im Sprichwort.
Viele Hunde sind des Hasen Tod. Die Katze läßt das Mausen
nicht. Mit Speck fängt man Mäuse. Goldener Zaum macht das Pferd
nicht besser. Das Auge des Herrn macht die Pferde fett. Mach' die
Türe nicht erst zu, wenn die Kuh hinaus ist! Wenn es dem Esel zu
wohl wird, so geht er aufs Eis. Wenn es der Geiß zu wohl wird,
so scharrk sie. Die Tauben fliegen einem nicht gebraten in den Mund.
Es gehen viele geduldige Schafe in einen Stall. Man muß nicht
nach jeder Mücke schlagen. Eine Schwalbe macht keinen Sommer.
210. Wo seid ihr hin, ihr lümelein?
In unsers Vakers Garken, da war's noch gestern grün,
da sah ich noch so mancherlei, so schöne Blumen blüh'n
And heut ist alles anders, und heut ist alles kot.
Wo seid ihr hin, ihr Blümelein, ihr Blümlein gelb und rot?
O liebes Kind, wir schlafen nach Gokkes Willen hier,
bis er uns seinen Frühling schickt, und dann erwachen wir.
*
Ja, deine Blümlein schlafen. So wirst auch schlafen du,
bis dich erweckt ein Frühlingstag aus deiner langen Ruh.
Und wenn du dann erwachest, o möchkest du dann sein,
sa heiker und so frühlingsfroh wie deine Blümelein.