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80. Des Knaben Berglied.
Ih bin vom Berg der Hirtenknab',
seh' auf die Schlösser all herab.
Die Sonne strahlt am ersten hier,
am längsten weilet sie bei mir.
Ich bin der Unab' vom Bergel
2. Hier ist des Stromes Mutterhaus,
ich trink' ihn frisch vom Stein heraus,
er braust vom Fels in wildem Lauf,
ich fang' ihn mit den Armen auf.
Ich bin der Unab' vom Bergel
5. Der Berg, der ist mein Eigentum,
da ziehn die Stürme rings herum,
und heulen sie von Nord und Süd,
so überschallt sie doch mein Lied:
Ich bin der Knab' vom Bergel
Sind Blitz und Donner unter mir,
so steh' ich hoch im Blauen hier.
Ich kenne sie und rufe zu:
Laßt meines Vaters Haus in Ruhl
Ich bin der Unab' vom Bergel
5. Und wann die Sturmglock' einst erschallt,
manch Feuer auf den Bergen wallt,
dann steig' ich nieder, tret' ins Glied
und schwing' mein Schwert und sing' mein LCied:
Ich bin der Unab' vom Bergel
uhland.
81. Der Kysffhäuser.
Unter den Bergen in Thüringen ist der Kyffhäuser einer der
merkwürdigsten. Er hat seinen Namen von dem alten Schlosse
Kyffhausen, welches vorzeiten auf seinem Gäpfel stand, und von
welchem noch jetzt Trümmer zu sehen sind.
Kaiser Friedrieh (so erzählt man), der bei Lebzeiten gern auf
dieser Burg und in ihrer Nähe verweilte, ist nach seinem Tode in
den Berg hineingezaubert worden und wohnt da weder lebend, noch
tot. Leute, die eben zur glücklichen Zeit, als der Eingang zu seiner
unterirdischen Wohnung offen war, dahin kamen, haben ihn gesehen,
wie er mit einigen seiner alten Diener auf einer Bank an einem
grossen, steinernen Tische salss. Da sitzen sie nun schon so lange
und unbeweglich, dals ihnen die Bärte durch den steinernen Tisch
hindureh bis auf den Boden gewachsen sind. Einst wird aber der