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3. Da blühn auf Erden Blumen auf;
die Engel singen Freudenlieder,
und aus dem hohen Himmel steigt
des e ne Segen nieder.
22. Das Lächt der treuen Schwester.
Karl Müllenhboff.
An dem Ufer einer Hallig wohnte emsam in einer Hütte eine
Jungfrau. Vater und Mutter waren gestorben, und der Bruder war
fern auf der See. Mit Sehnsueht im Herzen gedachte sie der Toten
und des Abwesenden und harrte seiner Wiederkehr. Als der Bruder
Abschied nahm, hatte sie ibm versprochen, allnächtlich ihre Lampe ans
Fenster zu setzen, damit das Licht, weithin über die See schimmernd,
wenn er heimkehre, ihm sage, dab seine Schwester Elke noch lebe und
seiner warte. Mas e versprochen, das hielt sie- An jedem Abend
stellle sis die Lampe ans benster und schaute Tag und Naeht auf die
See hinaus, ob nicht der Bruder käme. Es vergingen Monde, es ver-
gingen Jahre, und noch immer kam der Bruder nicht. Elke ward zur
Greisin. Immer sah sie noch am Penster und schaute hinaus, und an
jedem Abend stellte sie die Lampe aus und wartete. PEndlich war es
dei ihr dunkel und das gewohnte Lieht erloschen. Da riefen die Nach-
barn einander zu: „Der Bruder ist gekommen!“ und eilten ins Haus
der Schwester. Da saß sie tot und starr ans Penster gelehnt, als wenn
sie noch hinausblickte, und neben ihr stand die erloschene Lampe.
23. Die drei Brüder.
Brüder Grimm.
1. Es war ein Mann, der hatte drei Söhne und weiter nichts im
Vermögen als das Haus, worin er wohnte. Nun hätte jeder gern nach
seinem Tode das Haus gehabt. Dem Vater war einer so lieb als der
andere. Da wußte er nicht, wie ers anfangen sollte, daß er keinem zu
nahe tät'. Verkaufen wollte er das Haus auch nicht, weil's von seinen
Voreltern war; sonst hätte er das Geld unter sie geteilt. Da fiel ähm end—
lich ein Rat ein, und er sprach Zu seinen Söhnen: „Geht in die Welt
und versucht euch, und lerne jeder sein Handwerk! Wenn ihr dann
wiederkommt, wer das beste Meisterstück macht, der soll das Haus haben.“
2. Das waren die Söhne zufrieden, und der älteste wollte ein Hufschmied,
der zweite ein Barbier, der dritte aber ein Fechtmeister werden. Darauf
bestimmten sie eine Zeit, wo sie wieder nach Haus zusammenkommen
wollten, und zogen fort. Es traf sich auch, daß jeder einen tüchtigen
Meister fand, wo er was Rechtschaffenes lernte. Der Schmied mußte des
Königs Pferde beschlagen und dachte: „Nun kann dir's nicht fehlen, du
kriegst das Haus.“ Der Barbier rasierte lauter vornehme Herren und
meinte auch, das Haus wäre schon sein. Der Fechtmeister kriegte manchen